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Politik: Militär-Radartechnik: Strahlentod nicht ausgeschlossen

Ehemalige Radartechniker der Bundeswehr sind offensichtlich während ihrer Armee-Zeit so starken Röntgenstrahlungen ausgesetzt gewesen, dass sie heute an Krebs erkrankt oder bereits verstorben sind. Darauf deuten 99 Krankenakten hin, die die Universität Witten-Herdecke zusammengetragen hat: 24 Radarmechaniker starben, 69 erkrankten an Krebs.

Ehemalige Radartechniker der Bundeswehr sind offensichtlich während ihrer Armee-Zeit so starken Röntgenstrahlungen ausgesetzt gewesen, dass sie heute an Krebs erkrankt oder bereits verstorben sind. Darauf deuten 99 Krankenakten hin, die die Universität Witten-Herdecke zusammengetragen hat: 24 Radarmechaniker starben, 69 erkrankten an Krebs. Sechs frühere Radartechniker, die eine Interessengemeinschaft gründen wollen, wissen von mindestens 100 weiteren Soldaten, die verstrahlt worden sind - allein in den letzten beiden Monaten berichteten deren Familien von 30 Toten und 70 Krankenfällen. Alle Techniker hätten damals an nicht ausreichend abgeschirmten, heute ausrangierten Radargeräten gearbeitet, um die eigenen Flugabwehrraketen zu steuern. Bei der Erzeugung von Radarstrahlung entsteht gefährliche Röntgenstrahlung.

Peter Rasch, einst Ausbilder für Radargerätemechaniker, sammelt mit fünf früheren Kollegen entsprechende Informationen und Indizien. Rasch selbst erkrankte 1994 an Lungenkrebs. "Ich habe zunächst keinen Zusammenhang mit meiner Arbeit erkannt", sagt er. Erst als er durch Medienberichte 1996 über mögliche Ursachen zwischen Röntgenstrahlungen und Krebs erfuhr, begann er eigene Recherchen. Dabei traf er auch auf Witwen und Angehörige verstorbener oder krebskranker Kollegen. Und er fand eine von der Bundeswehr 1958 in Auftrag gegebene Messung, die zeigte, dass er Röntgenstrahlungen ausgesetzt war, die bis zu 1333-fach über den Eingangsdosiswerten der Strahlenschutzverordnung lagen. Unter diese Verordnung von 1960 fiel damals auch Röntgen - die Bundeswehr übernahm sie jedoch erst 1989 in ihre Dienstvorschriften.

"Die Bundeswehr hat zu keinem Zeitpunkt die Grenzwertüberschreitung wissentlich geduldet", heißt es aus dem Verteidigungsministerium. "Natürlich" sei der Schutz vor Strahlungen damals nicht so gut gewesen wie heute. Die Fälle der Studie sollen nun "individuell geprüft" werden.

Jeder Soldat, der eine Versorgungsrente in Anspruch nehmen will, muss im "Antrag auf Wehrdienstbeschädigung" seine Strahlenbelastung nachweisen. Rasch ist empört: "Der Geschädigte muss die Werte nachweisen, auch wenn der Schädiger nicht gemessen hat oder die Ergebnisse unter Verschluss hält." Die Versorgungsansprüche werden nach dem Bundesversorgungsgesetz festgelegt - das Versorgungsamt selbst beurteilt dabei den Gesundheitszustand der früheren Soldaten und entscheidet darüber, welche Krebserkrankung als Folge der Bundeswehr-Tätigkeit anerkannt wird. Erst wenn der Vorsatz nachgewiesen werden kann, dass die Bundeswehr die Gesundheitsschädigungen billigend in Kauf genommen hat, entstehen auch Entschädigungsansprüche. Bundesverteidigungsminister Scharping ließ inzwischen mitteilen, dass die Geschädigten "großzügig behandelt werden" würden.

Die meisten betroffenen Radartechniker der Bundeswehr waren als Zeitsoldaten zwischen 1960 und 1980 im Einsatz. In der Medizin finden sich viele Hinweise darauf, dass Symptome von strahlenbedingten Krebserkrankungen noch 40 Jahre später auftreten. Die natürliche Strahlenbelastung eines Menschen liegt bei 2,4 Milli-Sievert im Jahr. Das Gutachten der Uni Witten-Herdecke ergab auch, dass die Radarmechaniker bei ihrer Arbeit jährlich 120 Milli-Sievert ausgesetzt waren - einer 50 Mal höheren Strahlung. In unmittelbarer Nähe der unabgeschirmten Radargeräte war die Belastung noch stärker. Dr. Bernd Ramm, Strahlenphysiker aus Berlin und Hauptaktionär der Internetmedizinseite "medicine worldwide", sagt: "Die vorliegenden Zahlen sind so eindrucksvoll, dass die Wirkung der Röntgenstrahlen in diesem Fall für die Krebsentstehung sehr wahrscheinlich ist."

Auf Ramms Analysen verweist auch der Bundeswehrverband - aus Mangel an Informationen des Ministeriums. Zugleich erneuerte der Verband seine Kritik an Scharping wegen der Uran-Munition. Er müsse gewusst haben, dass deutsche Soldaten im Kosovo direkten Kontakt mit Uranstaub hatten.

Claudia Lepping

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