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Auf dem Weg an die Front. Auch fünf Tage nach Beginn der internationalen Militäraktion hielten die Kämpfe zwischen Rebellen und Gaddafis Soldaten an.

© Aris Messinis/AFP

Militäraktion: Streit über die Rolle der Nato

Fünf Tage nach Beginn des Libyen-Einsatzes steht die Geschlossenheit der Kriegskoalition in Frage. Die USA und Frankreich haben unterschiedliche Ansichten über die Rolle der Nato bei der Militäraktion.

Die USA und Frankreich widersprechen sich in ihren Angaben über die Zukunft der Mission und ihrer Führung. Das Weiße Haus sagt, Präsident Barack Obama habe in Gesprächen mit seinem französischen Kollegen Nicolas Sarkozy, dem britischen Premier David Cameron sowie „unseren arabischen und türkischen Verbündeten“ eine vorläufige Absprache getroffen, dass die Nato die Führungsrolle bei der Durchsetzung der Flugverbotszone und des Waffenembargos gegen Gaddafi übernehme. Frankreich spielt dagegen die Rolle der Nato herunter. Regierungssprecher François Baroin sagte, sie habe im Libyen-Einsatz nur „eine technische Rolle“. Außenminister Alain Juppé betonte: „Sie wird nicht die politische Führung ausüben.“

Man kann die Differenzen freilich auch als Wortklaubereien interpretieren, mit denen Frankreich verdecken möchte, dass es im Streit mit den USA und anderen Bündnispartnern nachgeben muss. Am Dienstag hatte die Nato bereits die Leitung des Marineeinsatzes im Mittelmeer übernommen, der Waffenlieferungen an Gaddafis Truppen verhindern soll. Am Mittwoch deutete im Nato-Hauptquartier in Brüssel alles darauf hin, dass die Allianz auch die Überwachung der Flugverbotszone leiten wird. Bis zum späten Abend gab es aber keinerlei Beschluss der Nato.

Frankreich beanspruchte diese Führungsrolle für sich. Zur Gesichtswahrung ist ein Ausschuss auf Außenministerebene geplant, der „die politische Führung“ übernehme. Die Nato wird militärisch leiten. Das ist für die meisten Bündnispartner entscheidend. Paris wird weiter behaupten, dass die Nato damit nur eine „unterstützende Funktion“ habe.

Die unterschiedlichen Darstellungen haben vor allem innenpolitische Gründe. Obama hat den US-Bürgern von Anfang versprochen, dass er Amerika nicht in einen dritten langen Krieg wie Irak und Afghanistan verwickeln wolle. „Ich habe keinen Zweifel“, sagte Obama in El Salvador, der letzten Station seiner Lateinamerikareise, „dass wir das Kommando in den nächsten Tagen übergeben, nicht erst in Wochen“- Die Nato werde „command and control“ ausüben. „Danach werden es nicht mehr unsere Flugzeuge sein, die die Flugverbotszone durchsetzen. Und es werden auch nicht mehr unsere Schiffe sein, die das Waffenembargo erzwingen. Das werden andere Nationen tun.“

Frankreichs Ablehnung einer Führung durch die Nato hat ebenfalls innenpolitische und zudem praktische Gründe. Präsident Sarkozy möchte als Anführer der internationalen Koalition gesehen werden, die ein angeblich drohendes Massaker an der Zivilbevölkerung verhindert und Gaddafi stürzt. Zuvor galt er als Politiker, der ein zu enges Verhältnis mit arabischen Despoten pflegte. Innenpolitisch nutzt er zudem traditionelle französische Bedenken gegen die Nato. Frankreich hatte sich 1966 unter de Gaulle aus der militärischen Integration zurückgezogen und sich auf eine politische Mitgliedschaft in der Nato beschränkt. Erst 2009 war Paris in die integrierte Kommandostruktur zurückgekehrt. Die Zeit seither war freilich zu kurz, um gemeinsame Einsätze mit national gemischten Führungsstäben zu üben, wie sie unter anderen Nato-Partnern an der Tagesordnung sind.

Die bisherigen Luftwaffeneinsätze der Amerikaner, Briten und Franzosen in Libyen wurden nicht von einer integrierten Kommandostruktur befohlen und überwacht. Sie unterlagen nationalen Befehlen, und die jeweiligen nationalen Stäbe sprachen sich ab, wer wo welche Ziele angreift. Wegen dieser Vorgeschichte ist es für Frankreich schwieriger als für andere Nato-Staaten, sich einem integrierten Nato-Kommando in Libyen zu unterwerfen – geschweige denn, die Führung zu übernehmen, wenn künftig die Nato die Militäroperation in Libyen leitet.

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