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Warten. Libysche Aufständische hoffen auf Waffenlieferungen.

© dpa

Militärhilfe: Können Waffenlieferungen in Libyen helfen?

In den USA wird offen über Waffenlieferungen für Libyen diskutiert. Die Alliierten halten sich noch zurück. Und die Deutschen sind skeptisch.

Trotz Luftunterstützung durch westliche Staaten können die Milizen der Gaddafi-Gegner nur begrenzte Geländegewinne erzielen und werden von den Regimetruppen immer wieder zurückgedrängt. Nach Analyse amerikanischer Militärexperten liegt das vor allem an drei Faktoren. Die Aufständischen sind schlechter bewaffnet. Sie sind kaum ausgebildet und agieren undiszipliniert. Und ihnen fehlen Informationen über die Aktionen des Gegners. Deshalb laufen sie in Hinterhalte und erleiden unnötige Verluste. In der Folge müssen sie Gebiete und Städte, die sie gerade erst erobert haben, oft fluchtartig wieder räumen. Eine reguläre Armee würde diese Rückschläge zu einem Gutteil dadurch vermeiden, dass sie sich um Aufklärung bemüht, bei ihrem Vorrücken Sicherheitsvorkehrungen trifft und erobertes Terrain mit Verteidigungslinien sichert, ehe sie weiter angreift.

Was planen die USA?

Die USA und die Nato könnten alle drei Nachteile ausgleichen. Sie können ihnen Waffen liefern. Sie können ihre Disziplin und Schlagkraft stärken, indem sie den freiwilligen Kämpfern ein militärisches Minimaltraining anbieten und ihren Kommandeuren Militärberater an die Seite stellen. Und sie können Informationen über den Gegner, die das US-Militär und die Nato aus ihrer Satellitenaufklärung und der Überwachung der Flugverbotszone gewinnen, an die Rebellen weiterleiten. Alle diese Optionen werden in den USA seit Tagen debattiert, sowohl in öffentlichen Anhörungen im Kongress als auch hinter verschlossenen Türen im Weißen Haus, im Pentagon und den Zentralen der Geheimdienste. Es werden aber auch rechtliche und praktische Vorbehalte laut. Strittig ist, ob Waffenlieferungen verboten sind, weil die Uno ein Waffenembargo gegen Libyen verhängt hat. Oder ob es sich nur gegen das Gaddafi-Regime richtet und Waffenhilfe für die Aufständischen legal ist, weil sie dem Schutz der Zivilbevölkerung dient und damit unter die Uno-Resolution fällt.

US-Abgeordnete sagen zudem, sie müssten mehr über die politische Ausrichtung der Aufständischen wissen, ehe sie Militärhilfe genehmigen. „Wir wissen, wogegen sie sind: Gaddafi. Wir wissen nicht, wofür sie eintreten und ob das im US-Interesse liegt“, war ein häufiges Argument in den Kongressanhörungen. Offen kam zur Sprache, dass auch islamische Extremisten unter den Gaddafi-Gegnern sind. Unklar ist, wie viel Einfluss sie haben. Amerika möchte nicht Rebellen aufrüsten, die heute gegen Gaddafi kämpfen, sich aber, sobald sie an der Macht sind, gegen den Westen stellen. Und nicht Kräfte an die Macht bringen, die womöglich noch grausamer herrschen als Gaddafi. Abschreckende Beispiele sind der Iran und Afghanistan. Das Mullah-Regime, das in Teheran seit dem Sturz des Schahs regiert, unterdrückt die Iraner schlimmer als der Schah, fördert den internationalen Terrorismus und möchte Israel vernichten. In Afghanistan lieferten die USA den Mudschaheddin die Waffen, um die Sowjets zu vertreiben. Heute werden mit diesen Waffen Nato-Soldaten beschossen.

Was bringen Waffenlieferungen?

Der Grundsatz, man solle keine Waffen in Konfliktgebiete liefern, weil das die Kämpfe nur weiter anstachele, klingt in der Theorie gut. In der Praxis bedeutet er oft eine Benachteiligung der Unterdrückten und nimmt ihnen die Möglichkeit, sich zu wehren. Auch für Deutschland war das eine Lehre aus den Balkankriegen. Das Waffenembargo gilt im Rückblick als Fehler. Das herrschende Regime – in Bosnien die Serben, in Libyen Gaddafi – verfügt über Waffenvorräte. Ihre Opfer haben keine oder nur relativ schlechte Waffen. In solchen Situationen ist ein Embargo ungerecht, weil es die Benachteiligung der Opfer festschreibt.

Was sollen die CIA-Agenten machen?

Offiziell gibt die Regierung keine Informationen zu verdeckten Geheimdienstaktionen. Im Kongress und in den Medien werden zwei Ziele genannt. CIA-Leute können den Gaddafi-Gegnern als Militärberater helfen und ihnen in Echtzeit die Aufklärungsdaten über die Bewegungen der Regimetruppen mitteilen. Zugleich können sie sich dabei einen realistischen Eindruck verschaffen, wie sie politisch einzuordnen sind, ob sie für Menschenrechte und Demokratie eintreten oder eine islamische Diktatur anstreben.

Arbeiten die Briten mit den Rebellen zusammen und planen sie Waffenlieferungen?

Generalmajor Suleiman Mahmoud, ein Deserteur von Gaddafis Armee und nun einer der höchsten Befehlshaber der Oppositionskräfte in Bengasi, bestätigte in einem BBC Interview, „Liaison Offiziere“ der Koalition seien im Ort im Einsatz und leisteten den Rebellen bereits Hilfe. Britischen Berichten zufolge sind Angehörige von Spezialeinheiten seit einiger Zeit in Libyen – auch um bei der Koordination der Luftangriffe zu helfen. General Mahmoud forderte in dem Interview ausdrücklich Hilfe und Waffen. „Mit Hilfe werden wir Gaddafi in zwei Wochen besiegen. Ohne wird es sechs Monate dauern“, fügte er zögernd hinzu. Großbritannien will sich die Option Waffenlieferung bewusst offenhalten. Außenminister William Hague bestätigte im Unterhaus, das UN-Waffenembargo gelte für ganz Libyen. Aber „in gewissen Umständen erlaubt die UN Resolution 1973, den Menschen Hilfe zu geben, damit sie sich selbst verteidigen können“. Hague und Cameron betonen, eine Entscheidung, Waffen zu liefern, sei nicht getroffen worden und stehe auch nicht an. Aber ihre mit den USA abgesprochene Haltung steht in klarem Gegensatz zu Nato-Chef Anders Fogh Rasmussen. Der sagte der BBC klar: „Wir sind nicht in Libyen, um Menschen zu bewaffnen“.

Welche Erkenntnisse gibt es oder erhoffen sich die Briten von Moussa Koussa?

Die größte Hoffnung setzt die Koalition darauf, dass das Regime von selber implodiert. Der bisherige libysche Außenminister Moussa Koussa, der sich nach London abgesetzt hat, wurde dafür gestern von Hague als Trumpfkarte vorgeführt. „Er ist der Beweis, dass Gaddafis Macht von innen heraus zerbröckelt“. Koussa flog am Montag von Tunesien aus in einem Privatjet nach Großbritannien – in klarer Absprache mit dem britischen Außenministerium, das die Flucht wohl organisierte. Gestern wurde er „an sicherem und geheimem Ort“ befragt, so Hague. Koussa gilt als erstrangige Quelle für den Geisteszustand Gaddafis und die Moral in seinem engsten Kreis und könnte Aufschluss über Gaddafis Taktik und seine Absichten geben – auch wenn Libyenkenner betonen, dass niemand außer Gaddafis Familie zum engsten Kern des Regimes gehöre. Britische Medien zitieren Regierungsvertreter mit den Worten: Koussa sei in „zerbrechlicher geistiger Verfassung“.

Wie verhalten sich die Deutschen?

Die Bundesregierung steht Waffenlieferungen an die Aufständischen äußerst skeptisch gegenüber. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wies darauf hin, die beiden Resolutionen 1970 und 1973 enthielten ein sehr breites Spektrum von Maßnahmen, darunter ein „umfassendes Waffenembargo“, das für die Bundesregierung gelte. Von einer scharfen völkerrechtlichen Bewertung oder gar Verurteilung der Überlegungen der Alliierten zu Waffenlieferungen sieht die Bundesregierung aber anders als etwa Italien bewusst ab. Der italienische Außenminister Frattini hatte gewarnt, Waffenlieferungen spalteten das Bündnis. Berlin hat sichtlich kein Interesse daran, sich in den Streit einzumischen und so womöglich neue Spannungen zu erzeugen. Waffenlieferungen aus Deutschland an die Rebellen würden zudem, selbst wenn der politische Wille da wäre, an nationalen Gesetzen scheitern: In Spannungs- oder Kriegsgebiete dürfen keine Rüstungsgüter geliefert werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte am Rande seines China-Besuchs zur Diskussion um Waffenlieferungen an Aufständische: "Es gelten die VN-Resolutionen 1970 und 1973, die zwar notwendige Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlauben, andererseits aber ein umfassendes Waffenembargo enthalten. Für uns steht seit dem Beginn des Libyen-Konflikts der politische Prozess im Vordergrund. Die London-Konferenz hat gezeigt: Die Völkergemeinschaft ist sich einig, dass eine dauerhafte Lösung nur politisch, nicht militärisch erfolgen kann."

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