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Militärischer Rückzug: Vom Ende denken

Die Nato-Mitgliedsstaaten erarbeiten einen Stufenplan für den militärischen Ausstieg aus Afghanistan - allerdings ohne konkrete Zeiträume.

Von Robert Birnbaum

Von einem Abschied aus Afghanistan spricht niemand, der erste Blick zeigt eher das Gegenteil: Wenn der Bukarester Nato-Gipfel am Donnerstag seine Erklärung zum Einsatz in Afghanistan verabschiedet, wird darin noch einmal feierlich von der „langfristigen Verpflichtung“ der Allianz für das Land am Hindukusch die Rede sein. Und doch unterscheidet sich das Dokument, dessen Entwurf dem Tagesspiegel vorliegt, in einem wichtigen Detail von früheren Erklärungen. So häufig und so deutlich hat das Bündnis noch nie den Einsatz von seinem denkbaren Ende her beschrieben. Und zum ersten Mal gibt es auch so etwas wie eine Roadmap, eine konkrete Wegbeschreibung hin zu diesem Ziel. Das Papier selbst ist geheim, doch wird in der Abschlusserklärung ausdrücklich darauf verwiesen.

Der Plan geht auf eine deutsche Initiative zurück. Beim Verteidigungsministerrat im holländischen Nordwijk im vorigen Oktober hatte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) den Verbündeten vorgeschlagen, einen Stufenplan für einen allmählichen Ausstieg aus Afghanistan zu entwerfen. Das Ergebnis ist nach Informationen aus Nato-Kreisen eine Art Kriterienkatalog. Er benennt Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit die Schutztruppe Isaf ihr Engagement in einzelnen Provinzen und zuletzt im ganzen Land reduzieren und womöglich beenden kann. Konkrete Zeiträume, gar ein Datum für den Abschied sind aber nicht genannt. Der Katalog und die parallele Planung geeigneter Maßnahmen sollen in regelmäßigen Abständen überprüft und der Isaf-Einsatz entsprechend angepasst werden.

Das Ziel ist dabei klar: Sicherheit und die „Herrschaft des Rechts“, so heißt es auch in der Abschlusserklärung, könnten auf Dauer nur von afghanischen Sicherheitskräften selbst gewährleistet werden. Die Rolle von Isaf werde sich im Zuge dieses Wachwechsels daher mehr auf „Ausbildung und begleitende Hilfestellung“ hin entwickeln und weg von aktivem Eingreifen. Damit aus dieser Wunschvorstellung etwas wird, bekräftigt der Gipfel das Ziel, bis 2010 rund 80 000 Soldaten der afghanischen Armee dienstbereit ausgebildet zu haben. Zudem sollen afghanische Kräfte schrittweise die alleinige Verantwortung auch für größere Militäroperationen übernehmen, „sobald die äußeren Umstände und die afghanischen Kapazitäten es ermöglichen“. Die Allianz würde überdies gerne so bald wie möglich einen afghanischen Spitzenoffizier im Isaf-Hauptquartier stationiert sehen. Schließlich sollen Provinz-Aufbauteams (PRTs) so lange ihre Arbeit fortsetzen, „bis die Institutionen der afghanischen Regierung stark genug sind, um PRTs überflüssig zu machen“.

Das Dokument belegt freilich auch, wie weit Wunsch und Wirklichkeit der Nato auseinanderklaffen. Die „Teilung der Lasten in Afghanistan“ unter den Partnern wird angemahnt, Aufstockung bei Kampftruppen und „größtmögliche Flexibilität beim Einsatz“ der Soldaten. Deutschland wird nicht erwähnt. Aber natürlich ist es mit an vorderster Stelle gemeint.

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