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Politik: Milli Görüs – Gefahr für die Demokratie? Experten streiten über islamische Gemeinschaft

Frankfurt (Oder) - Sie wird regelmäßig in den Jahresberichten der Verfassungsschützer genannt, sieht sich aber als integre Organisation: Die türkische „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) ist mit etwa 26 000 Mitgliedern die größte islamistische Vereinigung in der Bundesrepublik, ihre Funktionäre kämpfen um gesellschaftliche Anerkennung – doch die Treue zum geistigen Führer Necmettin Erbakan, einem antisemitischen Politiker in der Türkei, scheint unerschütterlich. Wie mit diesem Widerspruch umgegangen wird, zeigte sich am Donnerstag in einem Symposium an der Europa-Universität in Frankfurt (Oder), zusammen veranstaltet mit dem Gemeinsamen Analysezentrum Terrorismus/Extremismus des Brandenburger Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamts.

Von Frank Jansen

Frankfurt (Oder) - Sie wird regelmäßig in den Jahresberichten der Verfassungsschützer genannt, sieht sich aber als integre Organisation: Die türkische „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) ist mit etwa 26 000 Mitgliedern die größte islamistische Vereinigung in der Bundesrepublik, ihre Funktionäre kämpfen um gesellschaftliche Anerkennung – doch die Treue zum geistigen Führer Necmettin Erbakan, einem antisemitischen Politiker in der Türkei, scheint unerschütterlich.

Wie mit diesem Widerspruch umgegangen wird, zeigte sich am Donnerstag in einem Symposium an der Europa-Universität in Frankfurt (Oder), zusammen veranstaltet mit dem Gemeinsamen Analysezentrum Terrorismus/Extremismus des Brandenburger Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamts. Ein seltenes Bild: Sicherheitsexperten, Wissenschaftler und IGMG-Leute saßen nebeneinander. Oguz Ücüncü, Generalsekretär der IGMG mit akkurat gestutztem Vollbart, gab zu, dass Prediger der Organisation den Holocaust anzweifeln. Frage er Imame, ob sie glauben, dass Auschwitz stattgefunden hat, „können sich die meisten nicht vorstellen, dass es ein solches Verbrechen gab“, sagte Ücüncü. Er verweise dann darauf, dass die Leugnung des Holocaust in Deutschland verboten ist. Ücüncü kombinierte indes die Offenheit, problematische Positionen in der IGMG zu benennen, mit dem Bekenntnis zu einem „gefestigten Weltbild“. Optisch passte dazu das Outfit von Ücüncüs Begleiterin Nurcan Ulupinar, Chefin der Jugendabteilung der IGMG: festgezurrtes Kopftuch, langer Mantel bis zu den Fußknöcheln.

Im Gegensatz zum Extremismus-Vorhalt der Verfassungsschützer sieht Ücüncü die IGMG nicht als Agentur zur Radikalisierung, sondern zur „Immunisierung“ junger Muslime vor extremistischem Gedankengut. Unterstützt wurde Ücüncü vom Ethnologen Werner Schiffauer, der an der Europa-Universität lehrt. Schiffauer bescheinigte der IGMG eine „Tendenz zur Integration“ und einen „Prozess der Überwindung des Islamismus von innen“. Wie seit Jahren kritisierte Schiffauer den Verfassungsschutz für die Beobachtung der IGMG. Während Wissenschaftler in Prozessen dächten, suche der Verfassungsschutz nur nach Indizien, um antidemokratische Einstellungen zu belegen. Das sei „so naiv wie falsch“, konterte Tania Puschnerat, Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Sie attestierte der IGMG, weder ihr Frauenbild noch das Verhältnis zu den Positionen Erbakans stünden im Einklang mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Frank Jansen

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