zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Merkel überdenkt ihre Haltung zur Praxisgebühr - die FDP ist schon länger für eine Abschaffung der vierteljährlichen 10-Euro-Abgabe.

© dpa

Update

Milliardenüberschüsse im Gesundheitsfonds: Merkel überdenkt Praxisgebühr

Die Überschüsse im Gesundheitsfonds haben die Debatte um die Praxisgebühr erneut entfacht. Auch die Bundeskanzlerin schließt eine Änderung der unbeliebten Gebühr nicht mehr aus, nachdem einige Krankenkassen sogar Prämien an ihre Versicherten ausschütten wollen.

Mehr als 50 Millionen zahlende Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) können mit sinkenden Beiträgen rechnen. Nach monatelangem Widerstand gegen eine Abschaffung der Praxisgebühr schließt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun Änderungen offenbar nicht mehr aus. Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, die Kanzlerin betrachte das Gesamtbild des Gesundheitsfonds und der Kassen „und denkt intensiv über die Argumente, die da vorgebracht werden, nach“. Noch im August hatte Seibert gesagt, für die Kanzlerin stehe die von den Patienten zu leistende Zahlung „nicht zur Disposition“.

Hintergrund dieses Kurswechsels sind die Milliardenüberschüsse, die die meisten Krankenkassen in den zurückliegenden Monaten angesammelt haben. Die Reserven der einzelnen Kassen steigen laut GKV-Schätzerkreis bis Jahresende voraussichtlich um 3,9 Milliarden Euro. Sie lagen im Sommer bei 12,8 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein erwartetes Polster des Gesundheitsfonds von 12,7 Milliarden Euro. Die GKV-Reserven setzen sich aus dem Polster des Fonds, der Geldsammelstelle der Kassen, und dem der einzelnen Versicherungen zusammen. Rein rechnerisch könnten sie sich zum Jahresende auf gut 29 Milliarden Euro summieren.

Die Techniker Krankenkasse will ihren Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen die Praxisgebühr zurück erstatten - davon hält die AOK dagegen nichts.
Die Techniker Krankenkasse will ihren Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen die Praxisgebühr zurück erstatten - davon hält die AOK dagegen nichts.

© dpa

Die FDP bemüht sich angesichts der Überschüsse seit geraumer Zeit bei den Koalitionspartnern der Union um Zustimmung dafür, die Praxisgebühr zu streichen. Sie beträgt insgesamt 40 Euro im Jahr und muss von jedem Versicherten einmal im Quartal beim Arztbesuch bezahlt werden. Bislang allerdings hatten sich Unionspolitiker gegen die Streichung der Gebühr gewehrt. Ihr Argument: Wenn die Konjunktur nicht mehr gut läuft, könnten die Kassen in finanziell schwierigeres Fahrwasser geraten. Dann würde eine Beitragsanhebung fällig.

Den Sinneswandel der Regierungschefin könnte aber auch eine andere Entwicklung befördert haben. Schon jetzt profitiert jeder fünfte Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung davon, dass seine Kasse Prämien zurückzahlt oder unter Auflagen die Kosten für die Praxisgebühr erstattet. Nach einer Zusammenstellung des Gesundheitsministeriums betrifft das bislang fast zehn Millionen Beitragszahler in zehn Kassen.

Mit der Techniker Krankenkasse (TK) kündigte am Freitag eine weitere Mega- Kasse an, ihren Mitgliedern eine Prämie zu zahlen und unter bestimmten Bedingungen die Praxisgebühr zu erstatten. Die TK will ihren Versicherten die Praxisgebühr im Rahmen eines Bonusprogramms erstatten. Wer vier Vorsorgemaßnahmen wie Zahnvorsorge, Früherkennungsuntersuchungen oder Sportabzeichen nachweist, kann bis zu 60 Euro im Jahr zurückbekommen. Der Verwaltungsrat beschloss zudem, den rund sechs Millionen TK-Mitgliedern für das kommende Jahr eine Prämie von bis zu 80 Euro auszuschütten, sofern sie vom 1. Mai bis 31. Dezember 2013 Beiträge gezahlt haben. Auch die Hanseatische Krankenkasse (HEK) kündigte an, ihren rund 290 000 Mitgliedern eine Prämie von 75 Euro zu zahlen. Am Donnerstag hatte bereits die KKH-Allianz Rückerstattungen angekündigt.

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte dem Tagesspiegel, die zunehmende Zahl an Krankenkassen, die Prämienausschüttungen vornehmen wollen, zeige, „dass Wettbewerb den Versicherten zugutekommt“. Nun könne auf die Praxisgebühr verzichtet werden. Sie habe „ihren eigentlichen Zweck nicht erfüllt und ist ein Ärgernis für die Bürgerinnen und Bürger, für die Arzthelferinnen und Arzthelfer in der Praxis, die täglich damit zu tun haben“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false