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Politik: Milosevics Achse

Unmut in Moskau nach Tod des Serben: Kampfgefährten, Regierung und Opposition kritisieren Westen

Regierung und Opposition in Moskau reagierten fix. Schon Minuten nach dem Tod von Slobodan Milosevic gaben sie markige Erklärungen ab. Mit Bedauern habe man im Februar die Ablehnung eines Antrags zur Kenntnis genommen, mit dem Milosevic das Haager Tribunal um ärztliche Behandlung in Moskau bat, erklärte das russische Außenministerium. Umso mehr, da Russland entsprechende Sicherheitsgarantien zugesagt hatte. Die Haager Richter indessen hatten nur ein internationales Ärztekonzil genehmigt, dem auch russische Experten angehörten. Jetzt erwartet das Moskauer Außenamt aus Den Haag „genaue Angaben zu den Todesumständen“.

Öl ins Feuer goss Milosevics Exberater Branko Rakic. Dieser hatte in einem Telefoninterview aus Belgrad für die Nachrichtenagentur Interfax aus einem Schreiben an Russlands Außenminister Sergej Lawrow zitiert. In dem Brief hatte Milosevic sich angeblich unmittelbar vor seinem Tode – am Freitag – über eine regelrechte „Kampagne gegen seine Gesundheit“ im UN-Gefängnis beklagt. Der Brief zeige, wie sehr Milosevic der Politik Russlands vertraut habe, sagte Rakic. Eingegangen ist der Brief in Moskau bisher nicht.

Mit dem Fall Milosevic will sich diese Woche auch das russische Parlament befassen. Nationalistenchef Wladimir Schirinowski und die linke Opposition wollen eine Resolution mit Forderungen durchboxen, die Richter in Den Haag wegen unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung zu ziehen und das Tribunal aufzulösen. Für dessen Existenz, so Schirinowski im Gespräch mit der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, gäbe es „keine rechtliche Grundlage“. Auch Altpräsident Michail Gorbatschow nannte das Vorgehen der Haager Richter im Sender „Echo Moskwy“ einen „großen Fehler“ und „unmenschlich“. Ähnlich harte Worte fanden KP-Chef Gennadij Sjuganow und Hardliner wie Leonid Iwaschow. Der Exgeneral war schon während des Kosovo-Krieges 1999 als Scharfmacher aufgefallen – der damalige Hauptabteilungsleiter für militärtechnische Zusammenarbeit im russischen Verteidigungsministerium hatte von Präsident Boris Jelzin Vergeltungsmaßnahmen Russlands gegen das militärische Eingreifen der Nato verlangt. Von Jelzins Nachfolger Wladimir Putin in den Ruhestand versetzt und inzwischen Leiter einer politikwissenschaftlichen Stiftung, wurde Iwaschow 2003 von Milosevic als Entlastungszeuge in dessen Prozess nominiert und erwarb sich in Den Haag zweifelhaften Ruhm beim Versuch, die Verbrechen des Serbenführers im Kosovo und im jugoslawischen Erbfolgekrieg Anfang der 90er Jahre zu rechtfertigen.

Iwaschow gilt auch als Strippenzieher in der Debatte um den Ort für die Beisetzung von Milosevic. Hinterbliebene und Kampfgefährten streiten darüber wie die Kesselflicker. Genüsslich zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Itar-Tass Milosevics Tochter Maria, die Trauerfeierlichkeiten in Russland „unter allen Umständen“ fernbleiben will und auf einem Begräbnis in Montenegro besteht, wo mehrere Familienmitglieder bestattet sind. Die Sozialistische Partei Serbiens – einst Hausmacht Milosevics – will ein Begräbnis in dessen ostserbischer Heimat oder in der Belgrader Allee der Helden. Für Moskau dürften sich jedoch Witwe Mira und Sohn Marko entscheiden, obwohl sie sich bisher offiziell nicht äußerten. Sie halten sich seit längerem in Russland auf und riskieren bei der Rückkehr sofortige Verhaftung. Gegen beide laufen in Belgrad diverse Verfahren wegen finanzieller Durchstechereien.

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