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© EPA

Minarett-Verbot: Diktator Gaddafi der wüste Krieger

Libyens Diktator Muammar al Gaddafi heizt wegen des Bauverbots für Minarette den Konflikt mit der Schweiz an.

Die Schweiz hat noch Freunde: In dem bizarren Konflikt mit Libyens Diktator Muammar al Gaddafi stellt sich der europäische UN-Chef an die Seite Helvetiens. Der Generaldirektor des europäischen Hauptsitzes der Weltorganisation in Genf, Sergej Ordzhonikidse, rüffelte am Freitag den libyschen Exzentriker. Der Aufruf Gaddafis, die Schweiz mit einem „heiligen Krieg“ zu überziehen, sei nicht zu akzeptieren. „Solche Erklärungen eines Staatsoberhauptes sind in den internationalen Beziehungen unzulässig“, erklärte der aus Russland stammende UN-Spitzendiplomat. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ließ erklären, es sei „unglücklich, dass diese Angelegenheit eskaliert ist“.

Doch Gaddafi dürfte sich darum nicht sonderlich scheren. Der Herrscher des Wüstenreiches hat mit seiner „Dschihad“-Tirade den mehrdimensionalen Streit mit dem Alpenstaat um Ehre, Geiseln und Visa bewusst verschärft – dieses Mal nahm Gaddafi das eidgenössische Bauverbot für Minarette zum Anlass für seine Attacke. „Der ungläubigen und abtrünnigen Schweiz, die die Häuser Allahs zerstört, muss mit allen Mitteln der Dschihad erklärt werden“, hatte Gaddafi anlässlich eines Mohammed-Gedenktages in der ostlibyschen Stadt Benghasi gewettert. Jeder Muslim, der mit der Schweiz Geschäfte mache, sei ein „Ungläubiger“ und verrate den Islam. Einmal in Rage, verlangte Gaddafi eine totale Isolation des neutralen Kleinstaates: „Boykottiert die Schweiz. Boykottiert ihre Waren, boykottiert ihre Flugzeuge, ihre Schiffe und ihre Botschaften. Boykottiert diese ungläubige und abtrünnige Rasse.“

Die Eidgenossen reagierten gelassen auf die Kriegserklärung – oder sie reagierten überhaupt nicht. So lehnte das Außenministerium in Bern einen Kommentar ab. Auch die Präsidentin der Außenpolitischen Kommission im Nationalrat, Christa Markwalder, plädierte dafür, die Brandrede zu ignorieren. Andere Politiker äußerten sich ähnlich.

Warum reagieren die Schweizer zurückhaltend? Sie wollen nicht das Leben ihres Landsmannes Max Göldi gefährden. Der Geschäftsmann sitzt seit mehr als anderthalb Jahren in Libyen fest. Ein anderer Schweizer, den die Libyer ebenfalls als Geisel hielten, konnte mittlerweile ausreisen.

Der Hintergrund: Im Juli 2008 rastete Gaddafis berüchtigter Sohn Hannibal in einem Genfer Luxushotel aus, er und seine Frau sollen Personal verprügelt und misshandelt haben. Die Polizei der Westschweizer Stadt nahm Hannibal in Gewahrsam – später stellten die Behörden das Verfahren gegen den Gaddafi-Sprössling ein, er und seine Frau durften die Eidgenossenschaft verlassen. Doch der alte Gaddafi kochte. Aus Rache ließ er die beiden Schweizer festnehmen. Seitdem heizt der Tyrann den Konflikt immer weiter an. Er stoppte die Erdöllieferungen in die Schweiz, bei den Vereinten Nationen forderte er die „Aufteilung“ der Eidgenossenschaft; und er demütigte den Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz: Der Mann aus Bern reiste eigens nach Tripolis, entschuldigte sich für die Festnahme Hannibal al Gaddafis und hoffte so, die Schweizer Geiseln heil nach Hause zu bekommen. Immerhin machten die Libyer dem Bundespräsidenten Hoffnung. Später musste Merz einsehen, dass er genarrt worden war. Gaddafi hielt die beiden unglücklichen Schweizer weiter fest. „Ich habe den Libyern in bester Absicht die Hand gereicht“, klagte ein enttäuschter Merz.

Zuletzt griffen die Schweizer dann aber doch an: Sie verweigern führenden Mitgliedern des Gaddafi-Clans die Ausstellung von Schengen-Visa – Libyen kündigte daraufhin ein Einreiseverbot für Personen aus dem gesamten Schengenraum an. Kann das Nicht-EU-Mitglied Schweiz Schengen-Visa blockieren? Ja. Denn die Eidgenossenschaft nimmt gleichberechtigt am Schengen-Abkommen teil. Voraussetzung für eine Visumsverweigerung: Die ausgeschlossenen Personen gefährden „die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen“. Normalerweise gilt diese Regelung für Kriminelle und Terroristen.

Jan Dirk Herbermann

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