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Politik: Mindestlohn auch für Studenten und Rentnerinnen?

Bundestagsjuristen warnen vor Ausnahmen / Wissenschaftler fürchtet Niedriglöhne unterm Minimum.

Berlin - Wenn Rentnern oder Studenten ab 2015 der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro verwehrt wird, verstößt das womöglich gegen das Grundgesetz. Darauf haben Juristen des Bundestags in einem Gutachten hingewiesen. Ausnahmen für diese Personengruppen könnten eine „verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung darstellen“, heißt es in der Expertise, die die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer in Auftrag gegeben hatte.

In der großen Koalition ist umstritten, wer künftig vom Mindestlohn profitieren soll. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt sich dafür ein, dass der Mindestlohn grundsätzlich für alle Arbeitnehmer gelten soll. Ausnahmen sind im Koalitionsvertrag nur für ehrenamtliche Tätigkeiten vorgesehen und für Praktikanten, die noch studieren, zur Schule gehen oder sich noch in ihrer Berufsausbildung befinden. Diese Regelung finden die Gutachter auch nicht problematisch. Prägend sei hierbei nicht ein Arbeitsvertrag, die Ausbildung stehe im Vordergrund.

Doch die CSU fordert weitere Ausnahmen. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner argumentiert, Schüler, Studenten und Rentner mit einem Zuverdienst seien anders zu behandeln als Arbeitnehmer, die mit einer Vollzeittätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienten. Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer will sich nicht reinreden lassen und wischt Bedenken beiseite. Es sei „abenteuerlich zu glauben, ein Gesetzgeber könnte von einem Grundsatz keine Ausnahmen beschließen“. Die Bundestagsexperten hingegen argumentieren, auch Rentner, Studenten und Saisonarbeiter seien Arbeitnehmer, die ihre Arbeitskraft gegen Entgelt zur Verfügung stellten. Das sei auch bei Praktikanten der Fall, die ihre Ausbildung bereits abgeschlossen hätten. Ein „wesentlicher Unterschied“ zu anderen Arbeitnehmern, der eine schlechtere Bezahlung rechtfertigen würde, sei nicht erkennbar.

Widerspruch gegen die von der CSU vorgebrachte „Zubrot-These“ gibt es auch von Arbeitsmarktforschern. Rund 2,1 Millionen Minijobber müssten dann vom Mindestlohn ausgenommen werden, rechnet Stefan Sell vor, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Koblenz. Eine solche Regelung hätte aus seiner Sicht „problematische Folgen“, weil der gleiche Job dann unterschiedlich bezahlt werden könnte. Die Studentin an der Supermarktkasse, die einen Minijob ausübt, könnte dann schlechter bezahlt werden als die Hausfrau an der Kasse nebenan, die neben ihren Familienverpflichtungen einer ausschließlich geringfügigen Beschäftigung nachgehe und Anspruch auf einen Mindestlohn habe. Sell warnt außerdem davor, dass „ein großer Niedriglohnsektor unterhalb der eigentlich flächendeckenden Mindestlohngrenze entstehen“ würde, sollte die Koalition große Bereiche vom Mindestlohn ausnehmen.

Auch die Grünen-Politikerin Pothmer hält die von der CSU geforderten Ausnahmen für nicht gerechtfertigt. Ein gesetzlicher Mindestlohn sei „keine Fürsorgeleistung“, sondern ein Mindeststandard, der Arbeitnehmer vor Lohndumping schützen solle. Cordula Eubel

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