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Minister Emil Schmalfuß: "Lücken bei Sicherheit"

Emil Schmalfuß ist Justizminister Chef der Atomaufsicht in Schleswig-Holstein. Im Interview spricht er über zwei Problem-Akw.

Herr Schmalfuß, ist es überhaupt möglich, binnen drei Monaten sicherheitsrelevant maßgebliche Kriterien in einem Atomreaktor zu überprüfen?

Das hängt ganz maßgeblich vom Prüfumfang ab. Der genaue Prüfkatalog wird derzeit noch erarbeitet. Für Schleswig-Holstein besteht auch kein derartiger Zeitdruck, da die KKW Brunsbüttel und Krümmel ohnehin abgeschaltet sind und definitiv länger als drei Monate nicht wieder angefahren werden können. Zudem müssen die Betreiber für beide Anlagen vorher Anträge zum Wiederanfahren stellen. Ohne eine Zustimmung der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht ist eine Wiederinbetriebnahme keiner der beiden Anlagen rechtlich zulässig.

Inwieweit fließen Erfahrungen aus der Kieler Atomaufsichtsbehörde in ein neues kerntechnisches Regelwerk mit ein?

Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht nimmt atomaufsichtliche Prüfungen grundsätzlich unter Berücksichtigung der Entwicklung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik vor. Darin fließen nationale wie internationale Erkenntnisse ein. Ungeachtet dessen stammt das heute noch gültige sogenannte untergesetzliche Regelwerk in wesentlichen Teilen aus den 70er und 80er Jahren (BMI-Sicherheitskriterien 1977, Störfallleitlinien für Druckwasserreaktoren 1983 oder RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren 1981 und ein nicht verabschiedeter Entwurf für Siedewasserreaktoren). Es entspricht nicht mehr dem aktuellen heutigen technischen Standard und hat in zentralen Bereichen Regelungslücken wie fehlende Regelungen zum Nichtleistungsbetrieb, zum Sicherheitsmanagement, zur Digitalisierung der Leittechnik. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht hat deshalb eine Aktualisierung des Regelwerkes befürwortet, gefordert und unterstützt.

Wie ist denn der Stand der Diskussion beim Kerntechnischen Regelwerk?
Nach mehrjährigem Diskussionsprozess sind der damalige Bundesminister Sigmar Gabriel und die fünf Atomstandortländerminister am 4. Juni 2009 übereingekommen, den vom BMU bis dahin erarbeiteten Entwurf eines aktualisierten Regelwerks zunächst probeweise anzuwenden und nach Auswertung der damit gewonnenen Erfahrungen im Laufe des Jahres 2011 unter Berücksichtigung des Erfahrungsrückflusses zu überarbeiten und dann endgültig zu verabschieden. Das Projekt liegt noch im verabredeten Zeitrahmen und bedarf einer konsequenten Weiterverfolgung.

In Japan haben sich die Brennelemente-Abklingbecken als besonderes Problem erwiesen. Ist es sicher genug, wenn sie wie in Brunsbüttel und Krümmel nur mit einer Betondecke geschützt werden?
Aus meiner Sicht muss dies eine der Fragen sein, die im Zuge des Moratoriums auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls neu bewertet werden müssen.

Sie und der Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sind sich darin einig, dass es besser sei, dass die beiden Reaktoren Brunsbüttel und Krümmel möglichst nicht mehr ans Netz gehen. Wie wollen Sie das durchsetzen?
Wir haben immer gesagt, dass ältere Kernkraftwerke störanfälliger sind als neuere Anlagen. Deshalb sah der schleswig-holsteinische Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2009 bereits vor, dass FDP und CDU auf die Übertragung von Reststrommengen älterer auf neuere Kernkraftwerke hinwirken wollen. Dies galt vor allem für die Übertragung der Reststrommengen der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel auf neuere Anlagen. Vor dem Hintergrund der tragischen Ereignisse in den japanischen Kernkraftwerken sollten die beiden Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel dauerhaft vom Netz bleiben und endgültig stillgelegt werden. Die Landesregierung wird dazu in Kürze mit den beiden Betreiberfirmen Eon und Vattenfall Gespräche führen.

Das Interview führte Dieter Hanisch.

Emil Schmalfuß (64) ist Justizminister und Chef der Atomaufsicht in Schleswig-Holstein. Der parteilose Politiker ist von der FDP in die schwarz-gelbe Landesregierung entsandt worden.

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