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© dpa

Ministerien: Amtsübergabe: Blumen, Tränen und ein Witz

Guido Westerwelle, Philipp Rösler und Wolfgang Schäuble übernehmen ihre neuen Ministerien von drei SPD-Veteranen – der Abschied fällt schwer.

Berlin - So bescheiden, wie man ihn in früheren Zeiten als Oppositionspolitiker selten erleben konnte, tritt Guido Westerwelle (FDP) im überfüllten Weltsaal des Auswärtigen Amtes (AA) vor seine neuen Mitarbeiter. „Ich freue mich auf diese Aufgabe, und ich verschweige nicht: Ich habe großen Respekt vor ihr“, sagt er demütig. Die deutsche Außenpolitik gehöre schließlich „zum wertvollsten politischen Inventar unserer Republik“, meint er und verspricht, seine Arbeit werde im Zeichen der Kontinuität stehen. Als wichtiges Ziel nennt er unter anderen die Vertiefung der Beziehungen zu den osteuropäischen Nachbarstaaten.

Höchstes Lob spendet der FDP-Politiker der Leistung seines Amtsvorgängers: „Sie haben sich um dieses Land verdient gemacht.“ Auch die Mitarbeiter im Auswärtigen Amt würdigen Steinmeier mehrfach mit starkem Applaus und erheben sich schließlich klatschend von ihren Sitzen. „Ich gehe, aber ich gehe nicht aus der Welt“, verspricht der jetzige SPD-Fraktionschef. Ohne Guido Westerwelle direkt anzusprechen, mahnt er, es sei wichtig, „in manchen Situationen auch auszuhalten, allein oder relativ allein dazustehen“. Manchmal müsse man sich auch gegen Partner stellen, wenn sonst gravierende Nachteile drohten. Als Beispiele dienen ihm die Konflikte um den Nato-Beitritt Georgiens und um die zeitweise geplante Raketenstationierung in Polen und Tschechien, in denen er massivem Druck der Regierung George W. Bushs standgehalten hatte.

„Manches haben Sie mir verschwiegen, zum Beispiel, dass man fliegen muss mit offener Tür“, meint Westerwelle mit Blick auf Steinmeiers Erinnerungen an die Unzuverlässigkeit der Regierungsflugzeuge. Es sei aber „eigentlich auch ganz gut, dass Sie mir das erst jetzt sagen“. Am Nachmittag bricht der Vizekanzler gemeinsam mit der Kanzlerin zu seiner ersten Auslandsreise zum EU-Gipfel nach Brüssel auf.

Als die Blumen kommen, steht ihr doch das Wasser in den Augen. Dass es sich um den schwersten Tag ihrer fast neunjährigen Amtszeit handle, hat Ulla Schmidt ihren Mitarbeitern vorher noch tapfer lächelnd gestanden. Und betont, dass der Grund für ihren Abschiedsschmerz vor allem ein zwischenmenschlicher sei und kein politischer.

Beim Stabwechsel im Berliner Gesundheitsministerium steht sie noch einmal im Mittelpunkt, die dienstälteste Gesundheitsministerin der Republik. Die 60-Jährige bedankt sich bei allen im Haus für Kompetenz, Loyalität und durchgearbeitete Wochenenden. Die wiederum bedanken sich bei ihr mit warmem, lang anhaltendem Beifall. Und der junge Mann in der ersten Reihe, pro forma schon seit einem Tag der Chef in diesem Haus, blickt mit großen Augen auf die Rednerin, schiebt das Kinn vor und scheint ein wenig überrascht über die ganze Emotionalität der Amtsübergabe.

Philipp Rösler bekommt es aber auch dicke an diesem Vormittag. Erst warnt ihn die Vorgängerin, dass es keinen anderen Politikbereich gebe, der derart den Lobbyinteressen ausgesetzt und so vom „Spiel mit den Ängsten und Hoffnungen der Menschen“ geprägt sei. Privat werde es für den 36-Jährigen kein Treffen mehr im Freundes- oder Familienkreis geben, wo man ihn nicht haftbar zu machen versuche für jede neu verschriebene oder verweigerte Pille. Und dann kommt noch der politische Hieb: Die Versicherten, so belehrt die SPD-Politikerin Schmidt den Neuen aus der FDP, hätten Rechtsansprüche, sie seien keine Bittsteller. Und es könne nicht angehen, dass die Menschen, wenn sie alt und krank seien, auch noch um ihre Würde und irgendeinen Steuerausgleich kämpfen müssten.

Rösler lässt sich nichts anmerken. Mit durchgedrückter Brust zollt er Schmidt Respekt und Anerkennung. Betont, dass er das alles ähnlich sieht, mit den Lobbyisten und der überaus schwierigen Aufgabe. Als Minister könne er nur so gut sein wie seine Mitarbeiter. Wirbt um Loyalität, Unterstützung („Wir brauchen Ihr Fachwissen“) – und für sich selbst. Schließlich gelte er als „pflegeleicht“ und empfänglich für die „Kraft der Argumente“. Der Beifall ist zurückhaltend. Rösler habe ja „Großes vor“, sagt der Personalratsvorsitzende. Man sei gespannt und wünsche ein glückliches Händchen. „Na ja, das wird nicht reichen, es braucht schon eine glückliche Hand.“

Vier Jahre lang hat Peer Steinbrück, der Sozialdemokrat vom rechten Flügel, das Finanzministerium an der Wilhelmstraße geführt, jetzt übergibt er das Haus an Wolfgang Schäuble, den vormaligen Innenminister und Kabinettskollegen in der großen Koalition. Sollte Steinbrück in diesem Moment so etwas wie Wehmut verspüren, dann lässt er sich nichts anmerken. Larmoyanz sei jetzt „nicht angesagt“, sondern „Freude“ über eine „reibungslose“ Amtsübergabe, mahnt er zu Beginn. Dann lobt er noch einmal die Haushaltspolitik von Schwarz-Rot („Es war richtig, gleichzeitig zu investieren und zu konsolidieren“), um sich schließlich einen „kleinen Florett-Ausfall“ gegen die Strategie der Nachfolgeregierung zu erlauben. „Wie Sie den Dreisatz Investieren, Konsolidieren und Steuern senken hinkriegen wollen, ist mir ein Rätsel“, sagt Steinbrück. Wolfgang Schäuble in der ersten Reihe lächelt milde. Womöglich geht es ihm wie Steinbrück, nur darf er es nicht sagen.

Schäuble lächelt auch dann noch, als Steinbrück einen Witz erzählt – der Beifall der Mitarbeiter für seine Abschiedsrede ist da gerade verklungen. Der Witz ist nicht ganz neu, aber er bietet sich an. Steinbrücks Witz handelt von den drei Zetteln im Safe, die der scheidende Amtsinhaber seinem Nachfolger für den Fall der Krise schenkt. Bei der ersten Krise liest der Nachfolger: „Schiebe alles auf den Vorgänger!“ Bei der zweiten Krise liest er: „Schiebe alles auf das geringe Wirtschaftswachstum und die niedrigen Staatseinnahmen!“ Und bei der dritten: „Schreibe drei Zettel!“ Die Mitarbeiter lachen und Steinbrück weint nicht. Kein schlechtes Ende.

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