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Politik: Ministerpräsident Stoiber findet, Kriegsfolgelasten sind "Sache des Bundes"

Opfer-Anwälte sehen noch keine endgültige Lösung der EntschädigungsfrageCh.B.

Opfer-Anwälte sehen noch keine endgültige Lösung der EntschädigungsfrageCh.B.

Eine rasche und unstrittige Verständigung auf einen Länder-Anteil bei den Entschädigungszahlungen für NS-Zwansgarbeiter wird es nicht geben. Dies wurde am Donnerstag in Bonn auf der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder deutlich. Von Seiten der unionsgeführten Länder wurden grundsätzliche Bedenken und Vorbehalte laut. Die SPD-geführten Länder hingegen signalisierten unter dem Verweis auf eine historische und moralische Verpflichtung, der sich niemand entziehen könne, grundsätzliche Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten. Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) verwies auf die Verfassung, nach der solche Zahlungen als Kriegsfolgelasten allein Sache des Bundes seien. Die Bundesrepublik und nicht die Länder und Kommunen seien hier der Rechtsnachfolger des Dritten Reiches. "Das ist Sache des Bundes", meinte Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) knapp. Ein hartes "Nein" kam Stoiber zwar nicht über die Lippen. Doch er gab zu verstehen, wie er sich eine Lösung vorstellen könnte: Eine Regelung mit den Ländern könne es nur im Zuge der Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs geben. Hier sei nämlich grundsätzlich die innerstaatliche Frage der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern berührt. "Darüber werden wir miteinander reden."

Am heutigen Freitag wird aller Voraussicht nach in Berlin eine Vereinbarung über die Entschädigungssumme für frühere Zwangsarbeiter unterzeichnet. Eine konkrete Summe ist noch nicht bekannt. Man rechnet allerdings mit zehn Milliarden Mark. Jeweils die Hälfte stellen der Bund und die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zur Verfügung. Bundeskanzler Schröder, sein Beauftragter Graf Lambsdorff, DaimlerChrysler-Finanzchef Manfred Gentz als Industrievertreter und US-Unterhändler Eizenstat wollen die Einzelheiten der Übereinkunft vorstellen.

Die Opfer-Anwälte gehen unterdessen davon aus, dass alle an den Gesprächen Beteiligten dem Angebot der deutschen Seite zustimmen werden. Nachforderungen wird es nach Einschätzung des Münchener Juristen Michael Witti nicht geben: "Auch wenn es mehr hätte sein sollen, mit zehn Milliarden ist die Realität erreicht. Mehr ist nicht drin." Witti und sein New Yorker Kollege Ed Fagan betonten gestern auch, dass die Einigung über den Betrag zwar ein großer Fortschritt sei, von einer endgültigen Lösung der Entschädigungsfrage könne aber noch keinesfalls die Rede sein. Es gebe sogar Hindernisse, die die gesamten Verhandlungen scheitern lassen könnten. Als größtes Problem gilt derzeit das geplante Stiftungsgesetz. Den Referentenentwurf aus dem Finanzministerium lehnen die Anwälte kategorisch ab. Zudem müsse noch eingehend über den Kreis der Anspruchsberechtigten und die Verteilung des Geldes auf die verschiedenen Opfergruppen gesprochen werden.

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