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Politik: Minsk: Chef der Opposition festgenommen

Der weißrussische Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch ist am Donnerstag in Minsk festgenommen und im Schnellverfahren zu 15 Tagen Haft verurteilt worden. Das Gericht warf ihm die Teilnahme an einer unerlaubten Kundgebung vor.

Der weißrussische Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch ist am Donnerstag in Minsk festgenommen und im Schnellverfahren zu 15 Tagen Haft verurteilt worden. Das Gericht warf ihm die Teilnahme an einer unerlaubten Kundgebung vor. „Das ist eine politische Tat, eine politische Strafe“, sagte Milinkewitsch nach dem Urteil im Gerichtssaal. „Die Anführer der großen politischen Parteien kommen hinter Gitter.“ Die Demonstration sei durchaus genehmigt gewesen. Auch andere prominente Regierungsgegner wurden nach einer Großkundgebung der Opposition festgenommen. Der Chef der Weißrussischen Volksfront, Wintsuk Wjatschorka, wurde ebenfalls zu 15 Tagen Haft verurteilt.

Am Abend zuvor hatten sich 10 000 Demonstranten vor den Toren der Akademie der Wissenschaften in Minsk versammelt, um gegen den autoritär regierenden Staatschef Alexander Lukaschenko zu protestieren. Lukaschenko werde seine dritte Amtszeit „sicher nicht beenden“, sagte Oppositionsführer Milinkewitsch. Seine Anhänger forderte er zu „ zivilem Ungehorsam“ auf: „Wir werden nicht bis 2011 warten, sondern den Präsidenten früher entmachten. Ob in einem, zwei oder drei Jahren – das hängt nur von uns ab!“

Erstmals seit der Proteste gegen die verfälschten Präsidentschaftswahlen im März hatte die Opposition anlässlich des 20. Jahrestages der Katastrophe von Tschernobyl ihre Anhänger zu einer Großdemonstration mobilisiert. Doch obwohl nun neben Milinkewitsch praktisch ihre gesamte Führung inhaftiert wurde, hat die Opposition mit der Gedenkdemonstration bewiesen, dass ihr Widerstand keineswegs gebrochen ist. Trotz aller Repressionen hat sich der Widerstand gegen das Lukaschenko-Regime behauptet. Als „Erfolg“ bewertet Oppositionssprecher Pawal Mazijka denn auch deren friedliche Macht- Demonstration: „Die Opposition wird stärker – und die Macht immer nervöser“, sagte er dem Tagesspiegel.

Noch funktioniert in Weißrussland allerdings das System der Angst. Nur in den Großstädten verfügt der Widerstand gegen den sich dank russischer Energiesubventionen an der Macht haltenden Präsidenten über eine breite Basis. Die offene Kraftprobe mit dem Regime vermeidet die Opposition denn auch mit Rücksicht auf die eher konfliktscheue Mentalität ihrer Landsleute. „Wir wollen den Leuten vor allem die Angst nehmen, für ihre Meinung einzustehen" erklärt Mazijka. „Wir wollen jede Konfrontation vermeiden.“

Trotz der Inhaftierung der Oppositionsführung ist nach Ansicht des weißrussischen Journalisten Andrzej Poczebut der Prozess des Wandels in seinem Land „nicht mehr aufzuhalten“. Seit den Wahlen im März habe sich die Stimmung in der Gesellschaft völlig verändert, Lukaschenko genieße längst nicht mehr die Unterstützung wie noch vor drei, vier Jahren: „Das System hält sich nur noch mit der Verbreitung von Furcht.“

Thomas Roser[Minsk]

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