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Mit einem Karnevalswagen warb das kirchenkritische Aktionsbündnis „Schafsbrief“ vor dem Dom in Trier für die lückenlose Aufklärung des Missbrauchsskandals. Foto: dpa

© dpa

Missbrauchs-Betroffene enttäuscht: Empfehlungen des Runden Tisches noch nicht umgesetzt

Keine der Empfehlungen des Runden Tischs „Sexueller Kindesmissbrauch“ ist bislang umgesetzt – die Betroffenen sind enttäuscht.

Berlin - Der Bund will längst beschlossene Hilfen für Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs „noch in dieser Legislaturperiode“ auf den Weg bringen. Das kündigte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am Mittwoch an. An dem geplanten Hilfefonds für Menschen, die im familiären Umfeld missbraucht wurden, wollten sich Bund und Länder mit je 50 Millionen Euro beteiligen. Doch bislang haben nur Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ihre Bereitschaft erklärt. Verweigerten sich die Länder weiter, „sollten wir sagen, wir geben diese 50 Millionen bedingungslos“, sagte Schröder. Doch so weit sei es noch nicht.

„Die Ergebnisse sind ernüchternd und die Betroffenen sind zu Recht enttäuscht von der Politik“, sagte Manuela Schwesig (SPD), Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied am Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“, der von März 2010 bis Dezember 2011 tagte.

14 Monate nachdem der Runde Tisch seine Arbeit beendet hat, ist keine seiner zentralen Empfehlungen umgesetzt. Das Gesetz zur Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfristen liegt seit 20 Monaten im Rechtsausschuss. Der Ausbau des Beratungsnetzwerks sei nicht vorangekommen, kritisierte Johannes-Wilhelm Rörig, der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung, ebenso wenig sei das Opferentschädigungsgesetz im Sinne der Missbrauchsopfer verbessert worden. Im Gesundheitsbereich habe sich nichts getan, damit Missbrauchsopfer leichter Zugang zu speziellen Hilfen bekommen; der Hilfefonds scheint im Streit zwischen Bund und Ländern stecken zu bleiben. Die Länder verweigern ihre Bereitschaft zu zahlen mit dem Argument, es mangele an einem Konzept. Das sei vorgeschoben, hält Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dagegen.

Dass das Gesetz zur Änderung der Verjährungsfristen immer noch im Rechtsausschuss liegt und der Hilfefonds nicht auf den Weg gebracht ist, hält Johannes- Wilhelm Rörig für „nah am Skandal“. Die Ministerinnen für Familie, Justiz und Forschung, unter deren Vorsitz der Runde Tisch tagte, „haben sich nicht mit der Energie und dem Geschick für die Sache eingesetzt, wie es nötig gewesen wäre“. Drei Jahre nach Bekanntwerden der massenhaften Fälle von sexuellem Missbrauch sei bei der Mehrheit der Bevölkerung und den politischen Entscheidungsträgern immer noch eine Abwehrhaltung da – spätestens, wenn es darum gehe, Geld für konkrete Hilfen lockerzumachen.

„Diese Betroffenen, die sich unter Schmerzen erinnert haben und an die Öffentlichkeit gegangen sind, damit sich etwas ändert für sie selbst wie für die zukünftigen Generationen von Kindern und Jugendlichen, sind bitter enttäuscht und manchmal auch wütend“, sagte Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“. Er wies auch darauf hin, dass die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle nicht von der Stelle komme. Weder sei das Ausmaß klar noch die Gründe für die massenhaften Verbrechen und ihre Vertuschung. „Wenn die Vergangenheit nicht aufgearbeitet wird, lässt das für die Nachhaltigkeit im Bemühen um Prävention nichts Gutes vermuten.“

Die Betroffenen bräuchten „dringend ein Signal, dass sich der Bund für die Aufarbeitung verantwortlich fühlt – auch über die Legislaturperiode hinaus“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig. Doch die drei Bundesministerinnen hätten ihm klargemacht, dass sie sich damit nicht weiter beschäftigen wollten. Das sei „Sache der nächsten Legislaturperiode“. Claudia Keller

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