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Misshandlungen: Niederländer sollen im Irak gefoltert haben

In den Niederlanden gerät die konservative Regierung wenige Tage vor der Parlamentswahl wegen Foltervorwürfen gegen holländische Soldaten in Bedrängnis. Regierungschef Balkenende zeigt sich "schockiert".

Den Haag - Fünf Tage vor der Parlamentswahl ist die niederländische Regierung wegen Foltervorwürfen gegen ihre Soldaten im Irak unter Druck geraten. Niederländische Soldaten hätten mit Wissen ihrer Vorgesetzten im Herbst 2003 dutzende irakische Gefangene gefoltert, berichtete die Tageszeitung "De Volkskrant" unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende zeigte sich "schockiert". Verteidigungsminister Henk Kamp kündigte die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission an. Er selbst habe von einigen Praktiken gewusst; ein Armeebericht habe jedoch klargestellt, dass es sich dabei nicht um Misshandlungen gehandelt habe, sagte Kamp.

Dem Zeitungsbericht zufolge fanden die gewalttätigen Verhöre im November 2003 in Gebäuden der US-geführten Koalition in der südirakischen Stadt Samawah statt. Unter anderem seien den Häftlingen die Augen verbunden worden, um sie dann plötzlich sehr grellem Licht auszusetzen. Zudem seien sie mit Wasser begossen worden, um sie am Einschlafen zu hindern, und seien extrem unangenehmen Geräuschen ausgesetzt worden. Ein Sprecher des niederländischen Verteidigungsministeriums sagte: "Es sind Dinge geschehen, die gegen die Instruktionen verstoßen."

Offizier soll Misshandlungen verschwiegen haben

Die Zeitung machte den damals für die Gefangenen zuständigen Offizier Luuk Kron dafür verantwortlich, dass die Justizbehörden nicht informiert wurden. Kron habe schon Anfang November von den Misshandlungen gewusst, diese aber nicht weitergemeldet.

Kamp sagte dazu, im Oktober 2003 hätten Ermittler des niederländischen Militärgeheimdienstes 15 irakischen Gefangenen Skibrillen aufgesetzt, "um zu verhindern, dass die Verhörleiter von den Häftlingen wiedererkannt werden". Auch seien die Gefangenen Musik und Geräuschen ausgesetzt worden, "um zu verhindern, dass sie miteinander kommunizieren können". Der Militärgeheimdienst habe die Vorgänge untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Misshandlungen gegeben habe. Dennoch habe er beschlossen, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die mit dem Justizministerium zusammenarbeiten solle, sagte Kamp.

Die Affäre kommt für die konservative Regierung unter Balkenende denkbar ungünstig: Sie stellt sich am Mittwoch zur Wiederwahl. Außenminister Ben Bot erklärte laut ANP, er habe nichts von den Vorwürfen gewusst. Sollten sich diese als wahr erweisen, handele es sich um "inakzeptable" Vorgänge. Die linksgerichtete Opposition forderte eine parlamentarische Untersuchung. Im Zuge der US-geführten Invasion hatten die Niederlande rund 1400 Soldaten in den Süden des Irak entsandt. Ihr Mandat lief bis zum Frühjahr 2005. (tso/AFP)

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