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Politik: Mission im Ungefähren

Von Clemens Wergin

Möglicherweise wird die Kabinettsentscheidung zur Kongo- Mission als jener Moment in die Geschichte eingehen, an dem die deutsch-französische Aussöhnung ihren Höhepunkt erreichte. Welchen bedeutenderen Ausdruck für die Entente der Nachkriegszeit könnte es geben, als dass deutsche Soldaten in den nächsten Monaten ihr Leben riskieren werden, um französische Interessen in Afrika zu schützen? Man kann das als kluge Nachbarschaftspolitik bezeichnen oder schlichter als Beitrag zur europäischen Rohstoffsicherheit – eines aber wird man sicher sagen können: 1700 EU-Soldaten werden Kongo weder erheblich sicherer noch demokratischer machen. Es fehlen die Mindestvoraussetzungen von Staatlichkeit, damit aus der Wahl eine Chance auf Demokratie wird.

Die von der EU zu sichernde Wahl dient vor allem dazu, Machthaber Joseph Kabila internationale Legimität zu verschaffen. Er soll der neue starke Mann Frankreichs in Zentralafrika werden. Dort hatte Paris zunächst viel Einfluss verloren, als der Diktator des damals noch Zaire genannten Kongo, Mobutu Sese Seko, 1997 gestürzt wurde. In Kongos Regierung und Wirtschaft wimmelt es nun aber wieder von französischen Beratern und Interessen. Auch der EU-Einsatz war Frankreichs Idee. Wie wichtig Kabila für unseren westlichen Nachbarn ist, war in den letzten Jahren daran abzulesen, dass Paris stets versucht hat, internationale Kritik an Kabilas Regime anzuschwächen. Das mag wenig moralisch sein, angesichts des Rohstoffreichtums Kongos ist es aber eine durchaus pragmatische Politik. Die zentrale Frage bleibt deshalb: Was sollen deutsche Soldaten dort?

Wer 780 Mann in eine gefährliche Mission schickt, muss ihnen und ihren Angehörigen plausibel machen, warum gerade hier deutsche Interessen verteidigt werden müssen. Das Argument, man sorge für Stabilität, steht mit insgesamt 1700 Soldaten der EU auf einem wackligen Fundament. Genauso wie die Behauptung, man könne so Flüchtlingsströme aus Afrika verhindern. Oft ist von Regierungsseite auch zu hören, die EU beweise außenpolitisch Handlungsfähigkeit – ein machttechnokratisches Argument, das auf unzählige Konflikte dieser Welt zutrifft. Man kann durchaus der Meinung sein, dass der kleine EU-Beitrag in Kongo besser ist als nichts. Allerdings drängt sich der Eindruck auf, in Berlin werde nach einigermaßen willkürlichen Kriterien über Auslandseinsätze entschieden. Kongo ja, Darfur nein? Und das, obwohl die kleine EU-Truppe in Darfur weit mehr Menschenleben retten könnten als in Kinshasa.

Deutschland, das im Nato-Vergleich wenig für seine Streitkräfte ausgibt, muss sich gut überlegen, wie es seine knappen Ressourcen einsetzt. Dazu bräuchte es jedoch eine „Grand Strategy“, eine Definition der nationalen Interessen, die als Leitlinie für Auslandseinsätze dienen könnte. Berlin hat das bisher versäumt. Aus falsch verstandener Bescheidenheit? Jedenfalls entsteht so bei den deutschen Partnern der Eindruck, die große Mittelmacht im Herzen Europas, von der viele Orientierung erwarten, wisse nicht recht, was sie will und soll in der Welt. Das neue Weißbuch der Bundeswehr versucht, diesen Mangel im Bereich der Sicherheitspolitik zu beheben. Nach 16 Jahren Souveränität ist es allerdings an der Zeit, eine Standortbestimmung für das ganze Spektrum der Außenpolitik vorzunehmen. Damit die Mission in Kongo der letzte Einsatz ist, bei dem deutsche Interessen derart im Ungefähren bleiben.

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