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Politik: Mission mit Hindernissen

Die deutsche Marine darf nur mit Zustimmung der Libanesen in der Sechs-Meilen-Zone operieren

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Berlin - Die deutsche Marine darf beim Unifil-Einsatz vor der libanesischen Küste offenbar nur mit Einschränkungen innerhalb der Sechs-Meilen-Zone operieren. Das geht aus einem Papier des Verteidigungsministeriums hervor, dass dem Tagesspiegel in Auszügen vorliegt. Es handelt sich dabei um ein Protokoll vom 12. Oktober der Abstimmungsgespräche zur Umsetzung des Unifil-Mandats zwischen den Vereinten Nationen (UN) und dem Libanon. Danach ist der maritime Einsatzverband zum Boarding von Handelsschiffen innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer nur auf Anforderung und im Beisein der libanesischen Streitkräfte befugt. Nicht festgehalten ist dagegen, ob die deutsche Marine bei Gefahr in Verzug auch ohne Zustimmung der Libanesen in deren Hoheitsgewässer eindringen darf. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte im Bundestag erklärt, die deutsche Marine dürfe die Sechs-Meilen-Zone vor der libanesischen Küste befahren und unterliege dabei keinen Bedingungen.

Die FDP warf der Bundesregierung am Donnerstag Wortbruch und Täuschung des Parlaments vor, weil die Handlungsfähigkeit der deutschen Marine entgegen den Regierungsangaben eingeschränkt sei. „Die Bundesregierung hat erklärt, dass es keine Sechs-Meilen-Zone gebe. Die Bundesregierung hat erklärt, es gebe keinerlei Einschränkungen des Mandates. Nur unter dieser Vorspiegelung falscher Tatsachen hat das Parlament diesen Einsatz beschlossen“, sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Der Libanoneinsatz werde zur Farce, weil die Bundeswehr nicht autonom handeln könne, erklärte FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger. Erst auf die Erklärung der Regierung, dass die Handlungsfreiheit der deutschen Marine innerhalb der Sechs-Meilen-Zone gegeben sei, hätten viele Abgeordnete dem Einsatz zugestimmt.

Die ursprünglich vom Libanon geforderte Sechs-Meilen-Sperrzone war der Knackpunkt bei den Verhandlungen über den Einsatz der deutschen Marine. Am 13. September hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverteidigungsminister Jung erklärt, die Sechs-Meilen-Sperrzone sei vom Tisch. Der gesamte Bereich könne befahren werden, die Kontrolle von Schiffen sei auch gegen den Widerstand der Besatzung möglich. Brisant: Wie Regierungskreise berichten, verhandelten zwei Bundeswehroffiziere auch nach der Kabinettsentscheidung im New Yorker UN-Hauptquartier weiter über das Einsatzkonzept. Außerdem sei dieses ständig den Gegebenheiten angepasst worden, heißt es.

Für zusätzliche Irritationen sorgen Berichte über zwei israelische Kampfflugzeuge, die Dienstagmorgen vor der libanesischen Küste ein deutsches Kriegsschiff überflogen, Infrarot-Täuschkörper abwarfen und mehrfach in die Luft feuerten. Die israelischen Streitkräfte hatten den Vorgang dementiert und erklärt, am Dienstag sei unweit israelischer Hoheitsgewässer ein Hubschrauber von einem deutschen Schiff aufgestiegen, ohne sich zu identifizieren. Der israelische Verteidigungsminister Amir Peretz versicherte seinem deutschen Amtskollegen Franz Josef Jung daraufhin telefonisch, dass sein Land nicht beabsichtige, aggressiv gegen deutsche Streitkräfte vorzugehen.

Der Verteidigungsausschuss des Bundestages war bei einer Sitzung am Mittwoch unter dem Tagesordnungspunkt „Bericht aus dem Einsatzgebiet“ über den Vorfall informiert worden. Wie der Tagesspiegel aus Bundeswehrkreisen erfuhr, handelt es sich bei dem betroffenen Schiff um das Flottendienstboot „Alster“. Das deutsche Aufklärungsschiff gehört nicht dem Unifil-Verband an. Die Alster kann Radarstrahlen empfangen und Kommunikation abhören. Das Schiff hat keine Kanonen an Bord, nur die Besatzung ist zur Selbstverteidigung mit Pistolen und Maschinengewehren bewaffnet.

Wegen des Zwischenfalls forderten FDP und Grüne die Bundesregierung auf, scharfen Protest bei Israel einzulegen. FDP-Chef Westerwelle sprach von einem „außerordentlich Besorgnis erregenden, schwerwiegenden Vorgang“, der aufgeklärt werden müsse. Der Vorfall im südöstlichen Mittelmeer zeige, dass die Bundesregierung beim Beschluss des Libanoneinsatzes die Lage falsch eingeschätzt habe. Grünen-Politiker Winfried Nachtwei nannte das Ereignis einen „Affront gegen die Bundeswehr“. Der Regierung in Jerusalem müsse „sehr deutlich gemacht werden, dass so etwas nicht tolerabel ist und dass dieser Vorfall sofort aufgeklärt werden muss“.

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