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Politik: Missverständnisse bei laufendem Band

Sigmar Gabriel, Oslo und die Presse: Wie der SPD-Chef sich selbst ungesagt machen will

Von Matthias Meisner

Berlin - Der Satz von Sigmar Gabriel war etwas schwurbelig – das dürfte ein Beleg dafür sein, dass er genau so gefallen ist. Vergangenen Dienstagabend traf sich der SPD-Vorsitzende am Attersee in Österreich, am Rande eines Camps von sozialdemokratischen Jugendorganisationen, mit dpa-Korrespondentin Miriam Bandar. Oslo und die Ursachen war das Thema. Bandar zückte ihr Diktiergerät. Gabriel sagte unter anderem: „In einer Gesellschaft, in der Anti-Islamismus und Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“ Mittwoch in der Frühe verbreitete die Nachrichtenagentur das als dpa-Gespräch.

Gabriels Hinweis auf Sarrazin schmeckte nicht allen. Die „Bild“-Zeitung warf sich für den umstrittenen Buchautor und Immer-Noch-Genossen Thilo Sarrazin in die Bresche und fragte: „Was hat Sarrazin mit der Killer-Bestie von Oslo zu tun, Herr Gabriel?“ Anschließend versuchte die SPD zurückzurudern. Es gebe den Zusammenhang zwischen den Attentaten von Oslo und der Diskussion über Äußerungen des früheren Berliner Finanzsenators „natürlich nicht“, ließ Gabriel nun verlauten. „Keine der zuletzt bei uns oder anderswo geführten Debatten kann ein Vorwand sein für Gewalttaten, wie wir sie in Norwegen erleben mussten.“

Doch das Willy-Brandt-Haus ließ es dabei nicht bewenden. Empörte Bürger hatten sich an die SPD-Parteizentrale gewandt, fühlten sich, wie Tagesspiegel-Leserin Beatrix Mitrovic aus Berlin, vom SPD-Vorsitzenden „beleidigt und diffamiert, als Wegbereiterin eines Mörders von Herrn Gabriel gesehen“. Mitrovic und andere erhielten vom SPD-Bürgerservice eine überraschende Antwort: „Das in der ,Bild’-Zeitung zitierte Interview mit der Deutschen- Presse-Agentur (dpa) hat es nicht gegeben“, schrieb Parteiarbeiterin Susann Poppe, die so dazu beitragen wollte, „die durch die Berichterstattung entstandenen Missverständnisse aufzuklären“. Die Sprachregelungen für solche Antworten werden in der Parteizentrale abgestimmt.

Die Nachrichtenchefin von dpa, Iris Mayer, widersprach. „Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass die dpa ein Interview mit Sigmar Gabriel geführt hat“, sagte sie dem Tagesspiegel: „Das war allen Beteiligten klar. Unsere Korrespondentin hat das Interview zudem aufgezeichnet. Es waren auch Kollegen anderer Medien anwesend, die das beobachtet haben.“ Eine Autorisierung sei nicht verabredet worden.

Die Erklärung der SPD-Parteizentrale zu dem Vorgang blieb am Samstag etwas kompliziert. Ja, Gabriel habe den Satz „wahrscheinlich“ so gesagt, „am Rande“ des Zeltlagers. Aber das sei ja deshalb noch kein „Interview“, hieß es, jedenfalls keines „im klassischen Sinne“. Also auch keines, „das vorher ausgemacht oder eben redigiert wurde“.

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