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Politik: Mister Thomas ist wieder da

In Kabul nennen sie ihn einfach nur "Mister Thomas", den blonden Berliner mit dem jungenhaften Lächeln. Thomas Ruttig (44) gehört zum Team des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, und ist nicht der einzige hochrangige deutsche Aufbauhelfer in Afghanistan.

In Kabul nennen sie ihn einfach nur "Mister Thomas", den blonden Berliner mit dem jungenhaften Lächeln. Thomas Ruttig (44) gehört zum Team des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi, und ist nicht der einzige hochrangige deutsche Aufbauhelfer in Afghanistan. Die Europäische Union hat mit Klaus-Peter Klaiber ebenfalls einen Deutschen als Vertreter in der afghanischen Hauptstadt, Berlins Botschafter Rainer Eberle nahm als erster ausländischer Repräsentant seine Arbeit am Hindukusch auf und der letzte DDR-Botschafter in Pakistan, Klaus Fischer, arbeitet wie Ruttig für die UN. Er leitet das Büro von Lakhdar Brahimi.

Auch Ruttig begann seine Karriere als Diplomat des anderen Deutschland, das ihn kurz vor der Wende ausgerechnet nach Kabul schickte. "Seither fühle ich mich dem Land verbunden", sagt Ruttig. Die russische Besatzung Afghanistans habe er durchaus kritisch gesehen, "ich habe aber nicht offen dagegen opponiert", so Ruttig heute. Er nutzte seinen ersten Aufenthalt vor allem dazu, einheimische Sprachen zu lernen - Paschtu und Dari beherrscht er fließend. Das zahlt sich heute aus: Ruttig hält für Brahimi Kontakt zur Kabuler Regierung und hilft bei der Vorbereitung der Klanversammlung, der Loya Jirga. Sie soll im Frühsommer über die Zukunft Afganistans entscheiden.

Nebenher unterstützt Thomas Ruttig kleinere demokratische Parteien, die in der Regierung bisher keine Stimme haben. "Diese Kräfte sind für eine Demokratisierung des Landes und als Gegengewicht zu den Kriegsherren außerordentlich wichtig. Wenn wir sie nicht fördern, könnte das Land schon bald wieder im Chaos versinken", so Ruttig im Tagesspiegel-Gespräch.

Die Sondermission der UN versuchte schon vor dem 11. September, einen Frieden in Afghanistan zu vermitteln. Nach den Terroranschlägen in den USA und der Isolation der Taliban mussten Ruttig und seine Kollegen das Land aber verlassen. Kaum waren die Taliban aus Kabul abgezogen, reisten Ruttig und der damalige UN-Gesandte Francesc Vendrell sofort in die afghanische Hauptstadt zurück und nahmen Kontakt zu demokratischen Gruppen im Untergrund auf. Die beiden Männer wagten sich auch in die unsicheren Provinzen außerhalb Kabuls vor, um für einen Neuanfang in Afghanistan zu werben.

Das Auswärtige Amt in Berlin ist für Ruttig ein wichtiger Ansprechpartner. "Mit Hilfe der Bundesregierung haben wir schon lange vor dem 11. September afghanische Vertreter mit Repräsentanten aus Pakistan, Iran und Russland in Deutschland an einen Tisch gebracht." Dass er als früherer DDR-Diplomat keine Chance auf eine Übernahme in den gesamtdeutschen diplomatischen Dienst hatte, belastet Ruttigs Beziehungen zu Berlin nicht. "Ich habe mich gar nicht darum beworben. Das wäre unehrlich gewesen."

Mehr als ein Jahrzehnt nach der Wende verschwimmen die alten Kategorien allmählich, bei Thomas Ruttig ebenso wie auf der großen politischen Bühne. Russland steht heute an der Seite der USA und der Europäer im Kampf gegen den Terror und hilft beim Aufbau eines neuen Afghanistan. Doch der Friedensprozess ist noch nicht unumkehrbar, wie die jüngsten Zwischenfälle in den Städten Gardes und Masar-i-Scharif gezeigt haben. "Es sind zu viele Waffen im Land", sagt Thomas Ruttig. Er ist aber optimistisch, dass Konflikte unter den Klans die Ausnahme bleiben werden. "Die Regierung verhält sich bisher sehr klug, sie bleibt neutral und vermittelt besonnen." Dennoch hält Ruttig die Ausweitung des Mandats der internationalen Schutztruppe für sinnvoll, um den Wiederaufbau zu beschleunigen. "Das wünscht sich auch die einfache Bevölkerung, und sie sähe gern Deutschland an der Spitze der Truppe, denn keine andere Nation genießt hier ein so hohes Ansehen."

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