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Immer mehr Menschen gehen in Deutschland früher in Rente: Bei den über 64-Jährigen waren im Juni 2012 nur noch 14,2 Prozent im Berufsleben.

© dpa

Mit Abstrichen: Immer mehr Menschen gehen früher in Rente

Die Zahl der Frührentner war im Jahr 2011 so hoch wie noch nie - ein Argument gegen die Rente mit 67. Doch gleichzeitig steigt auch das Durchschnittsalter, mit dem die Menschen in die Rente gehen.

Es sind Zahlen, die aufhorchen lassen: Nie zuvor gab es in Deutschland so wenige Rentner, die beim Eintritt in den Ruhestand die vorgegebene Regelaltersgrenze erreicht hatten. Und niemals vorher mussten so viele Frührentner Einbußen bei ihren Altersbezügen hinnehmen. Beides ergibt sich aus den Zahlenreihen der Deutschen Rentenversicherung. Die Zahl der Regelaltersrentner sank zwischen 2000 und 2011 von 9,45 auf nur noch knappe 8,4 Millionen – trotz eines Höchststandes von 15,43 Millionen Rentenempfängern. Und der Anteil der Neurentner, die nicht ihr volles Ruhegeld ausgezahlt bekamen, stieg im gleichen Zeitraum von 14,5 auf 48,2 Prozent. Fast 337 000 der knapp 700 000 Neurentner bekamen ihre Bezüge geschmälert, da sie nicht bis 65 gearbeitet hatten. In 23 von 39 Berufsgruppen lag die Quote der Frührentner mit Abschlägen sogar bei 60 Prozent und mehr. Bei Beschäftigten der Chemiebranche waren es 71,4 Prozent.

Für Gewerkschaften, SPD und Linke ist das willkommene Wahlkampfmunition. Die Daten seien ein „deutlicher Beleg, dass die Arbeitsbelastungen viel zu hoch sind und die Rente mit 67 unerreichbar ist“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Gerade Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen schaffen es oft nicht, auch nur bis 65 durchzuhalten“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und Matthias Birkwald (Linke) erklärte die Rente mit 67 zum Garanten für immer schmalere Renten und immer mehr Altersarmut.

Allerdings gibt es auch einen Trend, der dieser Entwicklung komplett zu widersprechen scheint: Das Zugangsalter nimmt bei den Altersrenten beständig zu. Lag es im Jahr 2000 noch bei 62,3 Jahren, so war der Durchschnittsrentner 2011 bereits 63,5 Jahre alt. Die „Alterung“ männlicher Neurentner liegt bei 1,6 Jahren (63,8), die von Erstrentnerinnen beträgt 0,9 Jahre (63,2). Und selbst wenn man die Erwerbsminderungsrentner mitberücksichtigt, ist noch ein leichter Altersanstieg zu beobachten. Er erhöhte sich im Gesamtschnitt von 60,2 auf 60,8 Jahre.

Viele können sich die Abstriche (durchschnittlich 109 Euro) nicht leisten

Fakt ist also: Es gehen mehr Menschen vorzeitig in den Ruhestand, sie tun dies jedoch später als früher. In Teilen lässt sich die gestiegene Zahl von Rentnern mit Abschlägen sicher auch auf das Auslaufen bisheriger Vorruhestandsregelungen zurückführen. Aber davon, dass Erwerbstätige von knallharten Unternehmern oder durch die steigende Belastung immer früher aus ihren Jobs gedrängt werden, kann keine Rede sein. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigt diese Sichtweise: Die Arbeitgeber versuchten ihre Beschäftigten länger zu halten. Eine Grenze allerdings scheint bei 64 Jahren zu liegen. Nach aktuellen BA-Statistiken ist die Erwerbstätigenquote der 60- bis 64- Jährigen mit 29,3 Prozent deutlich gestiegen. Bei den über 64-Jährigen indessen sank der Anteil derer, die noch einen Job hatten, weiter – auf nur noch 14,2 Prozent im Juni 2012.

Das Problem bei alledem: Keiner weiß wirklich, wie viele ihren Job freiwillig vor der Zeit beenden und wie viele es erzwungenermaßen tun. Scheinbar, so kommentierte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Zahlen, könne es sich ein großer Teil der Beschäftigten leisten, frühzeitig in Rente zu gehen – „etwa wenn der Partner die volle Rente hat und das gesamte Haushaltseinkommen reicht“. Genauso richtig kann es sein, dass sich viele die Abschläge (im Schnitt derzeit 109 Euro im Monat) nicht leisten können, aber einfach im Job nicht länger durchhalten. Dazu passen würde die deutlich gestiegene Zahl von Rentnern mit Minijobs. 762 000 Menschen über 65 waren 2011 geringfügig beschäftigt – 58,6 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Im Streit um die Rente mit 67 können sich beide Seiten aus den gleichen Statistiken bedienen.

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