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Politik: Mit Antworten tut er sich schwer

US-Minister Rumsfeld verurteilt die Misshandlungen – und rechnet mit noch schlimmeren Fotos

Er wählt Worte, die nichts beschönigen. Er spricht von einer „Katastrophe“, von „sadistischen, brutalen und unmenschlichen Taten“, von „schmerzhaften, das Herz zerreißenden" Bildern. Er entschuldigt sich bei den Opfern, stellt ihnen eine Entschädigung in Aussicht und kündigt eine unabhängige Untersuchung darüber an, wie das Pentagon auf den Folter-Skandal von Abu Ghraib reagiert hat. Kein Zweifel: US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wusste am Freitag, als er im Kongress mehrere Stunden lang zu der Affäre befragt wurde, wie ernst die Lage ist.

Auch für ihn. Die Forderungen nach seinem Rücktritt werden lauter. „Ich trage die volle Verantwortung“, sagt Rumsfeld vor dem Streitkräfte-Ausschuss des Senats. Ja, er habe Fehler gemacht, hätte den Kongress eher informieren müssen. Einen Rücktritt freilich, nur weil einige von der Affäre „politisch“ profitieren wollen, schließt er in gewohnt angriffslustiger Manier aus. Doch auf die Frage, ob er zurücktreten würde, wenn damit weiterer Schaden vom Ansehen der Vereinigten Staaten abgewendet werden könnte, antwortete Rumsfeld: „Das ist möglich“.

Einer seiner ärgsten Kritiker ist Senator John McCain aus Arizona, ein Parteikollege und Vietnam-Held. Ebenso wie sich die Amerikaner vom Vietnamkrieg abwandten, befürchtet McCain, könnten sie auch bald dem Irakkrieg ihre Unterstützung entziehen. Wer hat im Gefängnis die Verantwortung gehabt, will er von Rumsfeld wissen, die Militärpolizei, der Militärgeheimdienst oder private Sicherheitsfirmen? Konnten die Geheimdienstler den Wärtern auftragen, wie sich diese den Gefangenen gegenüber zu verhalten haben? Rumsfeld druckst herum, will die Frage an Generalstabschef Richard Myers delegieren. Doch McCain lässt nicht locker. Die Frage sei einfach, der Minister möge bitte selbst antworten. „Es gab wechselnde Verantwortlichkeiten“, presst er schließlich heraus. Rumsfelds Strategie ist klar. Die dokumentierten Misshandlungen verurteilt er scharf, stellt sie aber lediglich als Fehler einiger charakterschwacher Individuen dar. Der Rest der Armee, insbesondere deren Geheimdienst, soll straffrei bleiben. Wurden die Wärter angestiftet? Dazu äußert er sich nicht. Wie das Beispiel Guantanamo zeige, sagt Rumsfeld in entwaffnender Freizügigkeit, sei es ganz nützlich, die Art der Behandlung von Inhaftierten mit deren Befragung zu verbinden.

Es ist wahr: Die Armee hat zunächst richtig reagiert. Einen Tag, nachdem die Vorwürfe im Januar bekannt geworden waren, nahm sie die Ermittlungen auf. Zwei Tage später wurde die Presse informiert. Am 20. März wurde gegen sechs Reservisten ein Strafverfahren eingeleitet. Doch die politische Bedeutung des Skandals wurde grob unterschätzt. Erst als die Fotos in die Hand der Medien gerieten, dämmerte der Pentagon-Führung, wie brisant die Affäre ist, deren Ende niemand absehen kann. „Seien Sie gewarnt“, empfahl Rumsfeld den verdutzten Senatoren, „es existieren sehr viel mehr Fotos und Videos. Falls auch die öffentlich werden, wird die Sache noch schlimmer.“

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