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Politik: Mit dem Thermoschlafsack in die Ruine

Das deutsch-niederländische Korps kennt Einsätze weltweit. Weihnachten könnte es in Kabul stationiert werden

Von Klaus Bachmann, Münster

Nach Kabul abkommandiert zu werden, würde Rob Querido überhaupt nicht schrecken. Der Nachfahre portugiesischer Sepharden ist in die niederländische Armee eingetreten, um in der Welt herumzukommen. Weil ihn das Zusammentreffen verschiedener Mentalitäten fasziniert, hat er sich um die Aufnahme in das deutsch-niederländische Korps in Münster beworben. In Holland muss man sich dafür bewerben, in Deutschland kann man auch einfach versetzt werden. Der joviale, fröhlich lachende Weltenbummler in Uniform war vorher schon in Großbritannien, den USA, 1993 war er sechs Wochen lang in Sarajevo. Ein Jahr später war er unter jenen UN-Soldaten, die sich im Aufnahmelager Goma um die Hutu und Tutsi kümmerten, die vor dem Völkermord in Ruanda geflohen waren.

„Das war hauptsächlich eine humanitäre Mission“, sagt er, „davon abgesehen, dass wir die beiden verfeindeten Volksgruppen davon abhalten mussten, im Lager ihre Rechnungen weiter zu begleichen.“ Trotz allem, „eine positive Lebenserfahrung“, behauptet er und sieht gar nicht danach aus, als würden ihn seine Erlebnisse irgendwie belasten. „Deshalb bin ich in die Armee eingetreten“, verkündet er, „das hat mit Abenteuer nichts zu tun. Feuerwehrleute freuen sich ja auch, wenn sie anwenden können, was sie gelernt haben. Unsere Aufgabe ist es, für Sicherheit zu sorgen.“ Es klingt, als bereite er sich im Geist schon auf die Entsendung nach Kabul vor.

Am 20. Dezember läuft das Mandat der Türkei für das Kommando der UN-Schutztruppe Isaf in Kabul aus. Verteidigungsminister Peter Struck hat vorgeschlagen, Deutschland und die Niederlande sollten gemeinsam die Nachfolge der Türkei antreten. In Den Haag wird der deutsche Vorschlag noch geprüft, Kabinett und Parlament müssen zustimmen. Kommt das Plazet aus beiden Hauptstädten, ist das deutsch-niederländische Korps in Münster dazu prädestiniert, den Einsatz zu übernehmen.

Mit der Zeit hat sich im deutsch-niederländischen Korps eine eigene Atmosphäre herausgebildet, die anders ist als in rein nationalen Stäben: Die Niederländer passen sich an die Präzision der Deutschen an, während sich diese an den kollegialeren Umgangsstil der Niederländer gewöhnt haben. „Man bekommt einen weiteren Horizont und lernt es, die eigenen Gewohnheiten und Bräuche in Frage zu stellen“, findet auch Rob Querido.

Kurze Vorwarnzeiten gehören zum Alltag des deutsch-niederländischen Korps. „Ich sehe mir die Fernsehnachrichten immer mit dem Gedanken im Hinterkopf an, ob sie bedeuten, dass ich demnächst wieder los muss“, gesteht Paul Kolken, der niederländische Presseoffizier des Korps. Im bosnischen Prizren musste er in einem zerschossenen Berghotel eine Pressestelle aufbauen. „Es gab keine Fenster in dem Gebäude und keine Heizung. Wenn man die Heizung andrehte, lief das Wasser aus der Wand. Wir machten abends Gymnastik, damit uns warm wurde."

Sein deutscher Kollege Thomas Löbbering kennt dies gut. In Kabul, von wo er im Juli zurückkam, verbrachte er die Nächte in einer „Ruine, mit Thermoschlafsack und aus Europa eingeflogenem Trinkwasser“. Besonders der Sand ist ihm in Erinnerung geblieben: „So fein, der dringt überall ein, in die Tastatur der Computer, in die Wäsche. Am besten, man verhüllt sich mit möglichst vielen Tüchern.“ Würde das Korps nach Kabul verlegt, hätte er trotzdem nichts dagegen: „Es ist relativ ruhig in Kabul, ich kenne meine afghanischen Ansprechpartner schon, ich weiß, was auf mich zukommt.“

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