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Politik: Mit dem Wähler im Bunde

Von Gerd Appenzeller

Für Bundespolitiker haben Landtagswahlen einen nervenzerfetzenden Nebeneffekt: Der Wähler kann seinen Frust über vermeintliche oder tatsächliche Fehlleistungen der deutschen Politik immer wieder auch dann äußern, wenn keine Bundestagswahlen anstehen. In einem der 16 Länder wird immer gewählt. So müsste das politische Berlin am kommenden Sonntag besonders gespannt nach Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg schauen, wo über die Zusammensetzung der Landtage entschieden wird. Zwei schwarze und ein roter Ministerpräsident wollen wiedergewählt werden, in allen drei Ländern regiert die FDP mit, die im Bund gerne das große Oppositionswort führt.

Man erinnert sich: Der Niedergang der rot-grünen Bundesregierung hatte mit verlorenen Landtagswahlen begonnen – am 7. Februar 1999 in Hessen. Das Scheitern von Heide Simonis bei der Regierungsbildung in Schleswig-Holstein am 17. März 2005 war für Gerhard Schröder der Moment, in dem er spürte, dass sein politisches Ende nahe sein könnte. Am 22. Mai 2005 wurde nach dem rot-grünen Debakel in Nordrhein-Westfalen aus dem Ahnen Gewissheit. Der Kanzler kündigte Neuwahlen an – und verlor.

Doch dann geschah etwas, was am kommenden Sonntag das gewohnte Wähler-Ritual stören könnte. Im Bund regiert seit dem vergangenen Herbst eine große Koalition aus Union und SPD. Und da Christ- und Sozialdemokraten in ihrer Vernunftliaison übereingekommen sind, einander nicht wehzutun, können sie in den Ländern nicht so recht Wahlkampf gegeneinander führen. Diese uneingestandene Friedenspflicht hat für den Wähler einen großen Vorteil: Er entscheidet diesmal wirklich ganz bewusst über Landes- und nicht über Bundespolitik.

Dass das „wie“ seines Votums den Bund nicht kalt lassen kann, ist trotzdem richtig. Bekäme zum Beispiel der Rheinland-Pfälzer Kurt Beck keine Mehrheit mehr, würde das den sozialdemokratischen Pfeiler der großen Berliner Koalition untergraben. Sollte in Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer von einem rot-roten Regierungsbündnis aus dem Amt gehebelt werden, müsste das die CDU im Bund als unfreundlichen Akt empfinden.

Von alledem sind wir im Moment aber weit entfernt. Der neue baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger kann sich seiner Koalition mit der FDP relativ sicher sein. Erwin Teufels Nachfolger wirkt zwar immer noch unfertig, spricht, obwohl schon zurückgenommen, viel zu schnell und möchte nach wie vor zur gleichen Zeit an drei Orten sein. Dennoch ist er weit gefestigter als seine sozialdemokratische Herausforderin Ute Vogt, die auch beim zweiten Anlauf mehr resolute Wurstigkeit als politische Professionalität demonstriert.

Im Nachbarland Rheinland-Pfalz ist Kurt Beck nach dem Bayern Edmund Stoiber der dienstälteste deutsche Ministerpräsident. Er strahlt landesväterliche Souveränität aus. Für seinen christdemokratischen Herausforderer Christoph Böhr ist es auch nicht erste Versuch, Ministerpräsident zu werden. Aber der promovierte Naturwissenschaftler scheint zu wissen, dass es mit seinem politischen Wunschziel und der Realität so ist wie mit zwei Parallelen, die sich nach einem mathematischen Gesetz ja auch erst in der Unendlichkeit berühren.

Während es in den beiden südwestlichen Bundesländern also nicht nach einem Koalitionswechsel aussieht (die Wahlbeteiligung wird eine entscheidende Rolle spielen), bleibt in Sachsen-Anhalt vermutlich nicht alles, wie es ist. Die CDU führt zwar in allen Umfragen, aber ihr Partner FDP schwächelt. Im April 2002 hatten die Liberalen mit Cornelia Pieper als Frontfrau sensationelle 13 Prozent geholt. Aber seit die glaubte, ihre Zukunft läge nicht im Land, sondern im Bund, ging es mit ihrer Partei bergab. Regierungschef Böhmer und der Sozialdemokrat Bullerjahn können gut miteinander, sagt man jetzt in Magdeburg. Am meisten ärgern über eine solche Wendung würde sich FDP-Chef Westerwelle. Seine Partei verlöre im Bundesrat an Einfluss, Schwarz-Rot hätte eine noch klarere Mehrheit und müsste sich künftig nicht mehr sorgen, ob gemeinsame Projekte auch die Länderkammer passieren.

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