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Politik: „Mit den UN-Polizisten kam die Sicherheit“

Vorbild für eine neue Ordnung im Irak? Kommandeur Feller über die Erfahrungen im Kosovo

STEFAN FELLER (45)

ist Police Commander

der UN im Kosovo.

Ihm unterstehen 11 000 internationale und

kosovarische Polizisten.

Foto: privat

Wer die Plünderungen in Bagdad beobachtet hat, fühlte sich an die erste Phase nach der Militärintervention im Kosovo 1999 erinnert. Wie ist die Nato mit dem Chaos fertig geworden?

In der ersten Phase mussten die Soldaten die polizeilichen Sicherheits und Ordnungsaufgaben übernehmen. Eine örtliche Polizei gab es damals im Kosovo nicht mehr. Zehn Jahre zuvor hatte Serbien den vorher bestehenden Status einer substanziellen Autonomie im Kosovo abgeschafft.

Aber Soldaten sind nicht für Polizeieinsätze ausgebildet.

Es stimmt, dass die Nato-Soldaten darauf unzureichend vorbereitet waren. Aber es gibt Nationen, die über mehr Erfahrung als andere verfügen, wie etwa die Briten, die in Nordirland seit 25 Jahren dieselbe Form der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Militär kennen. Jedenfalls hat die Nato im Kosovo viel gelernt.

Wann kamen dann die Polizisten ins Spiel?

Das Kosovo-Mandat der Vereinten Nationen (Unmik) war etwas ganz Neues. Denn eine komplette Zivilverwaltung samt Polizei aus dem Nichts aufzubauen, das hatten die UN noch nie gemacht. Außerdem begann sich das Machtvakuum nach dem Militäreinsatz schnell zu füllen. Auf der einen Seite haben sich kosovo-albanische ehemalige UCK- Leute, die vorher einer Befreiungsarmee angehört hatten, organisiert, um die Ordnung wiederherzustellen. Aber auch auf serbischer Seite bildeten sich solche Strukturen, zumal die Serben befürchten mussten, Opfer von Racheakten zu werden. Das ist auch passiert. In diese Situation kam Unmik. Die Polizisten kamen aus bis zu 53 demokratischen Staaten. Von da an gab es dann auch Hinweise aus der Bevölkerung auf selbst ernannte Ordnungshüter auf albanischer und serbischer Seite.

Was haben Sie mit diesen Kämpfern gemacht?

Die militärische Organisation der UCK wurde in das Kosovo-Schutzkorps KPC oder albanisch TMK umgeformt. Ihnen wurden Aufgaben im Zivil- und Katastropenschutz übertragen. Ein Teil der ehemaligen UCK- Mitglieder stellte sich erfolgreich dem Auswahlverfahren der neu aufzubauenden Polizei und arbeitet nun gemeinsam mit vielen neu rekrutierten Polizisten im Kosovo Police Service. Das funktioniert seit Ende des vergangenen Jahres übrigens auch sehr erfolgreich mit kosovo-serbischen Polizisten, die früher Angehörige der serbischen Polizei MUP waren und nun bei uns integriert sind.

Unmik soll ja kein unbegrenztes Mandat sein. Wie haben sie Polizisten gefunden?

Schon 1999 haben wir die ersten kosovarischen Polizisten in die Truppe aufgenommen. Wichtig ist, dass diese neue Polizei multiethnisch ist, ihr also Albaner, Serben, Türken, Roma und Askhali angehören. Außerdem haben wir von Anfang an gezielt Frauen aufgenommen. Inzwischen gehören der kosovarischen Polizei zwölf Prozent Frauen an. Darauf bin ich ziemlich stolz. Denn diese Frauen schaffen es, obwohl sie in einer ganz patriarchalischen Gesellschaft leben, in der Polizeiarbeit deeskalierend zu wirken. Gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen genießen sie größtes Ansehen in der Bevölkerung. Wie die kosovarische Polizei arbeitet, haben wir von Anfang an gemeinsam erarbeitet. Es hat keinen Sinn, Strukturen zu schaffen, die zusammenbrechen, sobald das Mandat endet, weil sie nicht akzeptiert werden. Dabei ist das Streifegehen das kleinste Problem.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

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