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Politik: Mit der Post fing alles an: Japan stimmt ab

Dieser Tage muss man in Tokios Straßen immer irgendwann laut werden. Denn alle Naselang fährt einer dieser Pickups vorbei, mit riesigen Lautsprechern auf dem Dach, aus denen Wahlversprechen vom laufenden Band tönen.

Dieser Tage muss man in Tokios Straßen immer irgendwann laut werden. Denn alle Naselang fährt einer dieser Pickups vorbei, mit riesigen Lautsprechern auf dem Dach, aus denen Wahlversprechen vom laufenden Band tönen. „Ein nerviger Wahlkampf“, sagt ein alter Mann; man könnte auch sagen: nervenaufreibend. Denn der Zweikampf zwischen Koizumis LPD und den oppositionellen Demokraten (DJP) hat es geschafft, die eher verhaltenen Japaner aufzurütteln.

Dabei hat sich das Blatt gewendet, seit Premier Koizumi Anfang August überraschend das Unterhaus aufgelöst hat. Die Umfragewerte des Regierungschefs stiegen seit der Ankündigung von Neuwahlen wieder an. Seiner Liberaldemokratischen Partei und deren Koalitionspartner Neue Komeito werden in neuesten Umfragen 252 der insgesamt 480 Parlamentssitze vorausgesagt, einige sehen die LDP nach den Wahlen am Sonntag sogar bei einer alleinigen absoluten Mehrheit.

Es ist Koizumi gelungen, die Wahlen „zu einem Referendum über seine Postreform zu machen“, erklärt der Tokioter Professor Dennis Tachiki diese Entwicklung. Das nutze dem Premier, da die Mehrheit der Japaner Reformen wolle. Bis 2017 plant Koizumi die Post zu privatisieren, die größte Sparkasse der Welt, die Ersparnisse und Lebensversicherungen im Wert von etwa 2,64 Billionen Euro verwaltet. Es geht dem Premier um das Herzstück seiner Wirtschaftsreform, die auch eine in Japan jahrzehntelang gepflegte Klientelwirtschaft beenden soll.

Anfang August noch war er mit diesen Plänen im Parlament auch am Widerstand in seiner LDP gescheitert. Jetzt hat das Thema den Wahlkampf polarisiert. Die Rente, der Einsatz im Irak, Nordkorea und die Beziehungen zu China – die Opposition hat es mit keinem der Themen geschafft, Oberwasser zu gewinnen. Koizumi selbst wird bei seinen Auftritten wie ein Rockstar gefeiert. Er hat prominente Fürsprecher wie eine Ex-Schönheitskönigin und Horie Takafumi, einen 32-jährigen IT-Business-Mann, der große Popularität genießt, seit er sich mit einem der größten Konzerne Japans angelegt hat. Wo immer er auftaucht, eilen vor allem die Hausfrauen an seine Seite, um sich per Fotohandy mit ihm knipsen zu lassen.

Der Regierungschef setzt auf Modernisierung, auch in seiner eigenen Partei. Gegen die Abweichler, die bei der Postreform gegen ihn stimmten, hat Koizumi Gegenkandidaten aufstellen lassen. Darunter viele Frauen, die martialisch „Attentäter“ genannt werden – weil sie den Abtrünnigen den „Todesstoß“ verpassen sollen. Das dürfte einige LDP-Granden daran erinnern, was Koizumi zu Beginn seiner Regierungszeit vor gut vier Jahren gesagt hat: Für notwendige Strukturreformen werde er notfalls die LDP zerstören.

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