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Politik: Mit eigener Kraft aus dem Sumpf

HOFFNUNG FÜR BERLIN?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ist Berlin noch zu retten? Als die Stadt 1945 ein Schutthaufen war, gab es die verrückte Idee, auf dem flachen Land ein neues Berlin aufzubauen. Daraus wurde nichts. Heute fragen viele, ob es nicht besser wäre, die Hauptstadt für zahlungsunfähig zu erklären, den Konkurs anzumelden und ganz von vorn anzufangen. Abreißen, neu aufbauen – das scheint oft die einfachste Lösung zu sein. In diesem Fall aber, im Notfall Berlin, bleibt wohl nichts anderes übrig, als bei laufendem Betrieb zu sanieren.

Das Problem ist nur: Es gibt noch keinen Sanierungsplan für die deutsche Hauptstadt, die hoch verschuldet ist und über ihre Verhältnisse lebt. Es ist nicht einmal sicher, dass sich die Berliner überhaupt retten lassen wollen. Bisher spenden nur wenige der Konsolidierungspolitik des rot-roten Senats Beifall. Die meisten beschleicht das ungute Gefühl, unter die Räuber gefallen zu sein. Sie halten in der vagen Hoffnung still, ungeschoren davonzukommen. Aber selbst wenn ihnen das vorläufig gelingt – spätestens in ein paar Jahren werden alle bluten müssen.

Dann nämlich, wenn der Berliner Schuldenberg von 47 Milliarden Euro durch Zinslasten und neue Kredite auf das Doppelte oder Dreifache angewachsen ist. Dann reichen die Schulden, in Euromünzen aufeinander gestapelt, bis zum Mond. Dann ginge Berlin in das Privateigentum der Kredit gebenden Banken über. Die Gehaltszahlungen für den öffentlichen Dienst müssten eingestellt werden, nur um die Zinsen zahlen zu können. Ersatzweise könnten alle Kitas, Schulen und Universitäten geschlossen werden. Dann wäre die Stadt wirklich reif für die Abrissbirne und man sollte sich umschauen nach preisgünstigem Land für den Wiederaufbau; im Oderbruch oder in der Lüneburger Heide.

So schlimm wird es nicht kommen? Es wird so schlimm kommen, wenn die öffentlichen Finanzen nicht saniert werden. Keine andere Stadt, kein anderes Land in Deutschland gibt pro Kopf so viel Geld aus für den Wohnungsbau, die Sozialhilfe, die Polizei, die Familien- und Jugendhilfe oder für die Hochschulen wie Berlin. Seit einem Jahr legt Finanzsenator Sarrazin unentwegt neue Zahlen vor, die seine Kernthese belegen sollen: Die Hauptstadt hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Der öffentliche Dienstleister und Fördergeldverwalter Berlin ist im Vergleich mit anderen Großstädten und Bundesländern zu teuer. Viel zu teuer.

Je nach Temperament werden diese Statistiken milde belächelt oder wütend dementiert. Doch selbst wenn die Zahlen nur zur Hälfte stimmen, müssten sie zu einem finanzpolitischen Sanierungsprogramm zwingen. Subjektive Betroffenheit angesichts des Sparzwangs ließe sich dann ersetzen durch objektive Kriterien, wo der Rotstift anzusetzen ist. Sei es beim Straßenbau, der Erziehungshilfe oder bei den Gerichtskosten, die keineswegs höher als in Hamburg, München oder Düsseldorf sein müssen. Dann ließe sich auch produktiver darüber streiten, ob Berlin nicht vielleicht doch hier und da eine Sonderrolle beanspruchen darf. Als Hauptstadt natürlich, aber auch als Ort der Wissenschaft, Forschung, Dienstleistung und Kultur. Die Verteilung der öffentlichen Ausgaben könnte auf dieser Basis neu gewichtet werden.

Sonst aber bleibt Bescheidenheit die bessere Tugend. Berlin kommt schließlich auch ohne die Alpen aus; wir können nicht überall Spitze sein. Bund und Länder werden die Hauptstadt nicht als ewigen Kostgänger dulden. Hochmut und Leichtfüßigkeit wäre das falsche Konzept. Berlin ist dringend angewiesen auf die Mithilfe der Nation, vor allem beim Abbau der gigantischen Schulden. Diese Hilfe wird es nur geben, wenn die Stadt ihre Finanzen im Rahmen des Möglichen entschlossen konsolidiert.

Ja, es fällt schwer, bei der Rettungsaktion mitzumachen. Aber jedes Jahr ohne Sparerfolg ist ein verflixt teures Jahr – für die nächste Generation.

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