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Politik: Mit ein paar Sätzen

Von Stephan-Andreas Casdorff

Inzwischen muss man ja wirklich mit allem rechnen. Gestern also hat es der Kanzler dann doch getan, wenn auch überraschend: Er hat nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten gesagt, worum es bei der Vertrauensfrage gehen soll. Jedenfalls so ungefähr, und das ist immerhin etwas. Die Reformpolitik im Großen und Ganzen – über die werden die Abgeordneten abzustimmen haben, nicht irgendwas vergleichsweise kleines wie Unternehmensteuern oder so. Wie hätte sich das auch nachher, nach der Wahl, nach der möglichen AbWahl, ausgenommen? Gerhard Schröder scheitert an Unternehmensteuern. Ausgerechnet er als Sozi.

Nein, dieser Kanzler macht klar, wenn auch quasi im Halbsatz und nebenbei, was er hinterlassen will: Das Urteil, dass die Agenda 2010 eigentlich richtig ist – und unumkehrbar. Nach dem Motto: Wenn etwas bleibt von mir, dann das. Die Linken werden sich bedanken, so oder so, die in der SPD aber anders als die draußen. Über Sinn und Zweck und Erfolg der Agenda werden die Debatten noch geführt werden.

Auf die Partei, die SPD und auch auf das Kabinett gesehen war es höchste Zeit, wenigstens diese paar Sätze zu sagen. Diese Gerüchte, die da wabern, sind schon sehr unangenehm geworden, nach innen in die Parteien hinein, nach außen zu den Wählern. Wenn es schon überall in den Couloirs (übrigens unwidersprochen) heißt, dass Franz Müntefering bald „den Wehner machen“, den Kanzler wie weiland Wehner Brandt zum Rücktritt drängen könnte, weil der sich nicht erklären will oder kann – so etwas setzt sich in der Öffentlichkeit fest. Glaube keiner, die Wähler bekämen das nicht mit. Im Gegenteil, dieses Bild von Agonie durch Schröders Schweigen war seit Tagen Gesprächsthema.

Aus Schweigen aber wird Schwäche, aus Schwäche erwächst Angst, die wiederum das ohnehin arg angegriffene Selbstwertgefühl der SPD zu zersetzen droht. Und das kurz vor einem harten, existenziellen Wahlkampf! Außerdem: Ein undurchsichtiges Verfahren zermürbt die Regierung, schädigt ihr Ansehen, obwohl sie sich doch vorgenommen hat, mit Anstand und hoch erhobenen Hauptes aus dem Amt zu scheiden.

So viel dazu. Das andere an Schröders Statement war der Hinweis auf den Bundespräsidenten und sein Vertrauen in dessen Unparteilichkeit. Da hat er ganz als Bundeskanzler gesprochen, gewissermaßen von oben herab in die Partei. Inzwischen muss man ja mit allem rechnen, deshalb: Wenn man die letzten Tage Revue passieren lässt, könnte das auch Teil einer Taktik sein.

Will sagen: Münteferings Stellvertreter in der Fraktion, keine Nobodys aus den hinteren Reihen, schießen dem Präsidenten von links vor den Bug, der Chef des „Seeheimer Kreises“ und die Parlaments-Vizepräsidentin der SPD von rechts, auf dass Köhler gewarnt sei. Er kann, das ist die Warnung, zum umstrittensten Bundespräsidenten je werden. Dann kommt Müntefering, verordnet von der Parteiseite Ruhe, auch mit dem disziplinierenden Hinweis, hier gehe es um seine Autorität, der Bundeskanzler als Verfassungsorgan stellt sich außerdem an die Seite des Verfassungsorgans Bundespräsident – und wenn der dann in der Vertrauensfrage die SPD parteilich behandeln, sich quer stellen, sich anstellen sollte, können beide ihn umso härter angreifen.

Ja, auf hoher See und im Wahlkampf ist jedes Mittel recht. Und die See ist rau: 28 Prozent hat die SPD gerade. Noch.

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