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Politik: Mit hohem Einsatz

Die Zahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr steigt stetig – die Gefahr für die Truppe und der Zweifel am politischen Erfolg auch

Von Hans Monath

Berlin - Die Stationierung von fast 800 Bundeswehrsoldaten zur Sicherung der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo war Mitte dieser Woche gerade abgeschlossen, als sich Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in einen anderen Teil der Welt aufmachte. Im Norden Afghanistans, in dem die Bundeswehr nun das Kommando der internationalen Stabilisierungstruppe (Isaf) übernommen hat, informierte sich der Minister über die dramatisch verschlechterte Sicherheitslage. Seine Soldaten seien gegen Attacken gerüstet, versicherte er nach den Gesprächen.

Der Blick nach Zentralafrika und in den Hindukusch macht vielen Sicherheitspolitikern in Berlin dieser Tage Sorgen. Kaum hat eine Mehrheit des Bundestags dem Kongo-Einsatz mit großer Skepsis und vielen Vorbehalten zugestimmt, verdichten sich die Nachrichten aus Afghanistan, wonach dort die Gefahr für ausländische Soldaten rasant wächst, ohne dass gleichzeitig das Ziel ihrer Arbeit, nämlich ein stabiles Afghanistan, das nicht mehr auf Militärhilfe angewiesen ist, auch nur in Sichtweite rückt. Obwohl viele Entwicklungsexperten darauf verweisen, dass „Nation building“ (die Hilfe bei der Stabilisierung eines bis dahin unregierbaren Landes) viele Jahre dauert, wachsen in Teilen der Öffentlichkeit die Zweifel daran, ob die Ziele auch zu erreichen sind, für die gegenwärtig etwa 7000 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz ihr Leben riskieren. Schließlich sind seit Jahren auch auf dem Balkan mehr als 3000 deutsche Soldaten stationiert, ohne dass eine Lösung für alle Konfliktherde der Region erreicht wäre.

Als größte Herausforderung der Bundeswehr aber gilt Afghanistan: In der ersten Hälfte dieses Jahres sind schon fast so viele Anschläge auf sie verübt worden wie im gesamten Vorjahr. Für unpraktisch oder gar kontraproduktiv halten Soldaten die Vorgabe aus Berlin, wonach sie nur noch mit gepanzerten Fahrzeugen ihre Lager verlassen dürfen – schließlich gilt der enge Kontakt zur Bevölkerung als wertvolles Gut, das die Sicherheit der Deutschen erhöht. Auch wünschen sich manche Offiziere Möglichkeiten für ein offensiveres Vorgehen gegen Angreifer. Angesichts der neuen Gefahren fordern einzelne Unionspolitiker sogar, den gesamten Auftrag für die Soldaten zu ändern. Jung lehnt allerdings eine Zusammenlegung des Antiterror-Einsatzes „Enduring Freedom“ und des Stabilisierungseinsatzes „Isaf“ ab – auch mit dem Koalitionspartner SPD, die streng zwischen Aufbauteams und Kampftruppen trennen will, wäre eine solche Umwidmung kaum zu machen.

Doch die deutsche Sicherheitspolitik könnte bald mit noch mehr Problemen und Gefahren konfrontiert sein. Etwa bei den Bemühungen um eine Lösung des aktuellen Nahostkonflikts. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck zum Beispiel hält eine Beteiligung deutscher Soldaten an einer internationalen Friedenstruppe im Nahen Osten für möglich. „Eine Beteiligung Deutschlands wäre immer noch etwas Besonderes, aber im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft nicht mehr undenkbar“, sagte Beck der „Bild am Sonntag“. Als Voraussetzungen nannte er die Zustimmung Israels sowie einen Waffenstillstand in Nahost. Sicherheitsexperten gehen zudem davon aus, dass die Bundeswehr gerade in Afrika in Zukunft noch weit mehr gefordert sein wird als bisher. Schließlich haben sich die Europäer gemeinsam dazu verpflichtet, Verantwortung für den Nachbarkontinent zu übernehmen. Größte politische und moralische Herausforderung in Afrika ist gegenwärtig der Darfur-Konflikt, zu dessen Lösung nach Zustimmung der Regierung in Khartum eine UN-Truppe die nicht sehr effektiven Kräfte der Afrikanischen Union (AU) ablösen soll.

UN-Generalsekretär Kofi Annan warb kürzlich bei seinem Besuch in Berlin schon um Unterstützung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) rechnet zwar nicht damit, dass die UN „Kampftruppen aus Europa“ anfordern werde. Allerdings verfügt die Bundeswehr über andere Fähigkeiten, die in dem riesigen und dünn besiedelten Land gebraucht werden könnten. Die Grünen-Außenpolitikerin Kerstin Müller, die sich als Staatsministerin bis zum Regierungswechsel um eine Lösung für den Darfur-Konflikt bemühte, sagt voraus, dass ein UN-Einsatz im Westen Sudans auch logistische Unterstützung und Hightech-Überwachungsgeräte benötige. Über Drohnen, die ohne Gefahr für ihre Lenker Informationen liefern, verfügt die Bundeswehr. Freilich hat die Debatte um den Kongo-Einsatz gezeigt: Mit Widerstand gegen weitere Bundeswehr-Missionen im Ausland ist auch in den Regierungsfraktionen zu rechnen.

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