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Politik: Mit Macht

Nach dem CDU-Spitzentreffen sieht sich Merkel in der Steuerfrage gestärkt. Doch Koch nimmt nichts zurück

Von Robert Birnbaum

Machtkampf? Aber nicht doch! Mögen sie ansonsten mit den Sprachregelungen zur Darstellung ihrer eigenen Politik so ihre Schwierigkeiten haben, in diesem einen Punkt ist sich die CDU-Führung am Montag geradezu verdächtig einig: Was da in den letzten Tagen öffentlich ausgetragen worden ist zwischen der Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel und gewissen Parteifreunden, das sei einzig eine Nuance in der Sache. Oder, um gleich den Hauptverdächtigen selbst zu zitieren: ein „Einschätzungsunterschied“. „Es gibt keinen Streit zwischen mir und Frau Merkel“, sagt Roland Koch, bevor er in die Präsidiumssitzung geht.

Das stimmt, sofern man unter Streit versteht, dass Zweie sich lautstark angiften. Das haben Merkel und Koch nicht getan. Dafür sind andere in der dreistündigen Sitzung deutlich geworden. Als erster hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel ein flammendes Plädoyer dafür gehalten, dass die CDU nicht gegen eine vorgezogene Steuerreform sein könne und dürfe. Parteivize Jürgen Rüttgers legte nach. Er sei das Spiel leid, zürnte der Nordrhein-Westfale, dass immer wieder aus Sachfragen Machtfragen gemacht würden. Er habe auch wenig Verständnis dafür, dass jemand, der in Bad Saarow nicht dabei war, die dort abgeschlossene Diskussion jetzt weiterführe. Das galt Koch. Der Hesse war bei der Bad Saarower Klausur des CDU-Vorstands verhindert, in der sich die Parteispitze auf die Formel verständigt hatte: Ja zum Vorziehen der Steuerreform 2005, aber nur bei einer „soliden“ Gegenfinanzierung. Dass Koch danach öffentlich verkündete, genau eine solche solide Finanzierung halte er für ganz undenkbar, bedeutete die Absage an diesen Beschluss. Merkel verstand das – mit Recht – als Kampfansage.

Die aber kam am Montag bei denen, die den Beschluss von Bad Saarow gefasst hatten, nicht gut an. Koch, so beschreiben es Teilnehmer, bekam für sein Verhalten praktisch keinen Zuspruch. Merkel verkündete anschließend öffentlich, was als gemeinsame Position festgehalten wurde: Es gilt ab jetzt der Beschluss von Bad Saarow, also Steuerreform ja, aber nur bei „seriöser Finanzierung“. Und für die habe die Regierung Vorschläge zu machen. Auf Fragen, wie denn die Union nach dem Streit der letzten Tage über Schulden und Subventionen zu einem einheitlichen Bild finden könne, hatte die Parteichefin eine Empfehlung: Indem alle genau diese Position vertreten – und „Nebenbemerkungen“ unterlassen.

Drinnen in der Sitzung war es Teufel gewesen, der deutlicher wurde. In seinem Schlusswort forderte der Dienstälteste Parteidisziplin ein. Wer ab jetzt mit Wenns und Abers von der gemeinsamen Linie abweiche, könne nicht mehr als gutgläubig gelten, warnte Teufel: „Wer jetzt noch weitermacht, schadet der Union.“

So ist denn anschließend in seiner Pressekonferenz zu Hessens Sozialhilfe-Reformplänen ein geradezu wortkarger Roland Koch zu besichtigen. Ob er, fragt einer geradeheraus, mit seiner Steuer-Position den Kampf um die Kanzlerkandidatur 2006 einleiten wolle? „Nein“, sagt Koch, den Kopf gesenkt. Er habe „kein Interesse an einer Diskussion um eine Machtfrage“, hatte er im Präsidium zu Protokoll gegeben. Aber dass er von seiner Skepsis gegen eine „seriöse Finanzierung“ irgendetwas zurückgenommen hätte, kann man auch nicht sagen. „Aus meiner Sicht gibt es keinen neuen Erklärungsbedarf“, weist er Nachfragen ab. Was auf gut Deutsch heißt: Ich nehme nichts zurück. Ich sage es nur nicht mehr laut.

Ende des Streits? Kein Machtkampf? „Haltlose Gespenster“ hat Saar-Regierungschef Peter Müller die Einschätzung genannt, der Kampf um die Macht in der CDU sei eröffnet. Dass Müller sich die Formulierung gut überlegt hat, muss man bezweifeln. Gespenster, zumal haltlose, sind durch Präsidiumsbeschlüsse nicht zu bannen. Sie spuken weiter.

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