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Politik: Mit milder Herablassung

Die Union lobt die FDP-Wende im Steuerstreit – und sieht sich schon jetzt als Siegerin

Von Robert Birnbaum

Berlin - Es gibt eine Art, einen Partner zu loben, die schmerzt mehr als Tadel. Horst Seehofer beherrscht das Verfahren: „In die richtige Richtung“ gehe das jüngste Steuerkonzept der FDP, sagt der CSU-Chef. Volker Kauder kann es auch: „Die FDP hat sich bewegt. Die Richtung stimmt“, gibt der Unionsfraktionschef zu Protokoll. Jürgen Rüttgers beherrscht es: „Ich begrüße es, dass die FDP jetzt eine eine inhaltliche und zeitliche Perspektive aufzeigt“, lässt der NRW-Chef den Bonner „General-Anzeiger“ wissen. Und Angela Merkel kann es allemal: „Es ist ja erst Mal festzuhalten, dass das gestern vorgestellte Steuerkonzept ein sehr konstruktiver Beitrag der FDP für die geplante Steuerreform in dieser Legislaturperiode ist“, kommentiert Vizeregierungssprecherin Sabine Heimbach namens der Chefin. Zu gut Deutsch heißt das alles: Brav gemacht, FDP! Die milde Herablassung im Ton hat ihren Grund.

Tatsächlich reicht CDU und CSU am Tag nach der FDP-Präsentation ihres Fünf-Stufen-16-Milliarden-Steuerkonzepts ja der Blick in die Pressespiegel, um bescheinigt zu bekommen, dass sie das erste Gefecht um Steuersenken oder Sparen gewonnen haben. Die FDP wird mehr verspottet als gelobt – sie hat sich von der raschen Steuersenkung verabschiedet und obendrein heimlich Abstriche beim Umfang gemacht. Unbemerkt bleiben diese Abstriche trotzdem nicht, schon weil der Sprecher des Finanzministers, Michael Offer, am Mittwoch erläutert, sein Chef Wolfgang Schäuble (CDU) sei bisher davon ausgegangen, dass von den im Koalitionsvertrag vereinbarten 24 Milliarden Euro Gesamtentlastung 19,5 Milliarden übrig seien. Aber gut, sagt Offer, man könne das sicher auch anders rechnen und dann auf 16 Milliarden kommen.

Dass sich sein Chef diebisch über die dreieinhalb Milliarden freut, die er also schon mal nicht mehr einplanen muss, sagt Offer nicht. Man darf es sich aber dazu denken. Zumal jeder, der sich in der Union umtut, ein allgemeines Kichern gar nicht überhören kann. Die Liberalen, so lässt sich die Analyse dort zusammenfassen, hätten jetzt klein beigegeben, um nicht nach der Steuerschätzung und kurz vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen groß beigeben zu müssen.

Das letzte Wort im Steuerstreit ist damit nicht gesprochen. Die FDP, sagen Unionspolitiker, habe ihre Preise für die Verhandlungen gesenkt – aber verhandelt werde natürlich trotzdem. Schon melden sich die CDU-Ministerpräsidenten zu Wort, die auch das abgespeckte FDP-Modell als zu kostspielig verwerfen – vom chronisch klammen Saar-Chef Peter Müller bis zum krisenbedingt klammen Baden-Württemberger Stefan Mappus. Seehofer erinnert an seine Forderung nach einem „Gesamtkonzept“, das auch geplante Mehrausgaben für Bildung und anderes umfassen müsse. Alle erinnern daran, dass über Konkretes sowieso erst nach der Steuerschätzung und – so die Vizeregierungssprecherin ausdrücklich noch einmal – im Zuge der Haushaltsaufstellung für 2011 gesprochen werde.

Immerhin, einen Hinweis auf die Richtung wird es nach allgemeiner Einschätzung in den Parteien noch vor der NRW-Wahl geben. Über eine allgemeine Absichtserklärung werde das aber kaum hinausgehen, vermuten führende Unionspolitiker. An Konkreterem könnten ja selbst die Liberalen gar kein Interesse haben: „Wer heute Steuern senken will, muss anderswo sparen“, sagt ein Unionsmann. „Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Guido Westerwelle das den Wählern in NRW wirklich im Detail erläutern will.“

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