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Politik: Mit Nebenwirkung

Von Maren Peters

Gute Nerven haben sie. Wenn es das Ziel des Pharmakonzerns Merck war, den Übernahmekampf um Schering bis zum letzten Augenblick spannend zu machen, Anleger und beteiligte Unternehmen in die Irre zu führen, am Ende den maximalen Profit herauszuschlagen, dann ist das zweifellos gelungen. Wenige Stunden vor Ablauf der Angebotsfrist kam am Mittwoch die erlösende Mitteilung, dass Merck seine Schering- Anteile an Bayer verkauft. Damit ist der Weg für die Übernahme des Berliner Traditionskonzerns durch Bayer frei. Für Schering und für die Stadt ist das eine gute Nachricht. Trotzdem bleiben Fragen offen und Risiken bestehen.

Vor drei Monaten hatte das Darmstädter Familienunternehmen Merck den Berliner Pharmakonzern mit einem völlig unerwarteten Übernahmeangebot überrumpelt – und damit eine Übernahmeschlacht ausgelöst, die sich die Berliner in ihren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können. Schering wies das feindliche Angebot zurück, Bayer eilte als „weißer Ritter“ aus Leverkusen herbei, mit der festen Absicht, Schering aus den Fängen von Merck zu befreien und den Hauptsitz des Pharmaunternehmens in Berlin zu belassen. Aber kaum war die Ruhe wieder einigermaßen hergestellt, sprang Merck in der Endphase der Übernahme erneut aus der Deckung. Und hätte dem Duo Bayer/Schering die schönen Pläne beinahe zunichte gemacht.

Über die Motive der Darmstädter wird noch immer gerätselt: verletzte Eitelkeit, Profitsucht, strategisches Interesse an Teilen von Schering? Alles ist möglich. Auch nach der gestrigen Erklärung des Unternehmens, der ersten seit Beginn der Attacke vor knapp einer Woche, ist die Antwort nicht eindeutig. Merck-Chef Michael Römer betont zwar, das kurzfristige Spekulationsgewinne „nie unser Ziel waren“. Was war das dann? Klar ist: Merck hat durch das Pokerspiel die Übernahme für Bayer um mehrere hundert Millionen Euro teurer und sich selbst um eine Summe reicher gemacht, die seinem doppelten Jahresgewinn entspricht. Und was hinter der Ankündigung stecken mag – auch weiterhin ein „langfristiges strategisches Interesse“ an Schering zu haben –, werden die Darmstädter noch erklären müssen. Viel Gutes für Schering lässt das jedenfalls nicht vermuten.

Dennoch haben die Berliner Grund zur Erleichterung. Die Übernahme ist gerettet. Damit werden die Zukunft von Schering und die des Gesundheitsstandorts Berlin wieder planbarer. Das Gespenst der Zerschlagung ist vertrieben. Unter den gegebenen Umständen ist das eine ganze Menge und gut für die Entwicklungsperspektiven. Berlin kann auch in Zukunft auf ein starkes Pharmaunternehmen zählen. Immerhin ist Schering die einzige Firma von Rang, die ihren Sitz in der Hauptstadt hat.

Einfach wird die Zukunft für Schering aber nicht. Auf den Berliner Pillenhersteller, der in den vergangenen Jahren auch dank eines strikten Sparkurses und der Streichung von 2000 Stellen Rekordgewinne eingefahren hat, wartet eine harte Integration. Es wird nicht einfach werden, die Unternehmenskulturen von Schering und Bayer zusammenzuführen. Zusätzlich erschwert wird diese Aufgabe dadurch, dass die Ankündigung von Bayer, in dem Gemeinschaftsunternehmen „nur“ 6000 Jobs zu streichen, nach dem teuren Deal mit Merck wohl kaum zu halten sein wird. Wenn die Kosten hoch sind, dann wird zuerst bei den Arbeitsplätzen gespart. Das wird noch ein schlimmes Hauen und Stechen geben – auch ohne Merck.

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