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Politik: Mit oder ohne Sonnenpapst

In Hessen enden Koalitionsverhandlungen mit Postengerangel von SPD und Grünen – was wird aus Scheer?

An diesem Donnerstag gehen die Verhandlungen über die Bildung einer rot- grünen Minderheitsregierung in Hessen in die Schlussphase. Schon am Freitag will der SPD-Landesvorstand den Koalitionsvertrag verabschieden. Allerdings waren am Mittwoch die wichtigsten Streitfragen noch immer nicht gelöst. Strittig blieben die Infrastrukturprojekte Flughafenausbau und Autobahnen, die Finanzen und vor allem die Postenverteilung. Setzt die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti den wegen seines Eintretens für die Solarenergie auch „Sonnenpapst“ genannten Hermann Scheer als Umweltminister durch oder nicht, das ist die entscheidende Machtfrage. Die Grünen haben ihren Anspruch auf dieses Schlüsselressort für Umwelt- und Energiepolitik ultimativ mit einem Parteiratsbeschluss bekräftigt. „Die werden doch die Koalitionsverhandlungen nicht mit der Begründung scheitern lassen können, dass sie Hermann Scheer, den Träger des alternativen Nobelpreises, als Minister verhindern wollen“, sagt dagegen einer aus der SPD-Verhandlungskommission.

Fünf Mal haben die Geschäftsführer von SPD und Grünen auf Pressekonferenzen über das bereits beschlossene Programm der künftigen Landesregierung berichtet. Sie will in ganz Hessen nach finnischem Vorbild Modellschulen einrichten, in denen alle Schüler bis zum 10. Schuljahr gemeinsam und ganztags lernen. Im Planungsrecht soll den erneuerbaren Energien Vorrang eingeräumt und die Behinderung für Windkraftanlagen ausgeräumt werden. Rot-Grün will mehr Lehrer, Staatsanwälte und Polizisten einstellen und sie besser bezahlen. Ein öffentliches Programm soll „Tausende“ Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse bringen. Allerdings blieb unklar, wie alle diese Vorhaben finanziert werden sollen.

Der geschäftsführende Finanzminister Karl-Heinz Weimar (CDU) hat bei den Vorbereitungen für den Haushalt des kommenden Jahr eine Deckungslücke von 1,3 Milliarden Euro errechnet. Deshalb sind „die großen Klopper“, sagt Grünen-Geschäftsführer Kai Klose, noch abzuräumen. Um die Finanzsituation zu entlasten, werden SPD und Grüne wohl in jedem Fall eine Grundwasserabgabe einführen, die CDU und FDP nach ihrem Wahlsieg 1999 abgeschafft hatten.

Bei der Postenverteilung ist alles eng mit der Personalie Scheer verzahnt. Wird Scheer gegen den Widerstand der Grünen doch für Umwelt zuständig, müssen die Grünen mit einem anderen zentralen Ressort bedacht werden, zum Beispiel dem Kultusministerium. Aussichten auf das Ministeramt hätte dann wohl die Bundestagsabgeordnete Priska Hinz. Der von Ypsilanti im Wahlkampf präsentierte parteilose deutsch-finnische Bildungsexperte Rainer Domisch scheint außen vor zu sein. Setzen sich die Grünen durch, wird ihr Landes- und Fraktionsvorsitzender Tarek Al-Wazir Umweltminister. Zusätzlich könnten die Grünen das Sozial- oder Wissenschaftsressort erhalten; mit der Landesvorsitzenden Kordula Schulz- Asche und der Landtagsabgeordneten Sarah Sorge verfügen sie über geeignete Kandidatinnen. Jürgen Walter, Ypsilantis Gegenspieler im SPD-Vorwahlkampf, hat gute Aussichten, Wirtschafts- und Planungsminister zu werden. Er steht für den zügigen Ausbau des Frankfurter Flughafens, den die Grünen wohl nicht verhindern werden. Auch bei den Autobahnprojekten in Nordhessen, A 44 und A 49, werden sie Zugeständnisse machen müssen. Allerdings werden, anders als von der CDU-geführten Regierung geplant, keine dreistelligen Millionenbeträge aus dem Landesetat für das nordhessische Flughafenprojekt Kassel-Calden fließen. Umso bedeutender ist die Einbindung der nordhessischen SPD. Ihr Bezirksvorsitzender Manfred Schaub, derzeit Bürgermeister in Baunatal, wird wohl als Innenminister in Ypsilantis Kabinett aufrücken. Staatskanzleichef wird SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt.

Christoph Schmidt-Lunau[Wiesbaden]

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