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Politik: Mit Raketen gegen Terroristen

Von Clemens Wergin

Kann man Terroristen mit atomarer Abschreckung eindämmen? Die von Jacques Chirac verkündete Nukleardoktrin mutet seltsam an. Auch, weil sie den Erfahrungen der letzten Jahre widerspricht: Dass Terroristen eben nicht mit herkömmlichen militärischen Strategien, ob konventioneller oder nichtkonventioneller Art, bekämpft werden können, weil es ihnen nicht um die Beherrschung von Territorien geht.

Zwar war es richtig, nach dem 11. September Krieg gegen das Taliban-Regime in Afghanistan zu führen, weil es den Al-Qaida-Kämpfern Gebiete die Basis für ihren Terrorkampf zur Verfügung gestellt hatte. Anders als bei gewöhnlichen Kriegen ist der Kampf gegen den Terrorismus eben nicht damit beendet, ein Land einzunehmen. Die Terroristen suchen sich einfach neue Operationsbasen. Das macht es sehr schwer, sie mit Abschreckungsdrohungen von Attacken abzuhalten, wie es der französische Präsident nun versucht hat. Zumal dann, wenn sie zum Selbstmord bereit sind. Allerdings, und darauf zielte Chirac ab, kann eine Drohung Wirkung auf Staaten haben, die sich mit Terroristen einlassen. Seine Worte haben so vor allem einen Adressaten: Teheran.

Es ist kein Geheimnis, dass Iran sich Terrorgruppen bedient, um politische Ziele zu verfolgen. Gerade hat sich in Israel ein Mitglied des von Iran und Syrien gesponserten Islamischen Dschihad in die Luft gesprengt. Auch gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass die in Iran befindlichen Al-Qaida-Kämpfer gar nicht festgesetzt wurden, wie Teheran behauptet, sondern Iran als Ruheraum benutzen. Am gefährlichsten ist aber die iranische Waffenbruderschaft mit der libanesischen Hisbollah – nicht nur für Israel.

Seit Jahren warnen Amerikaner und Israelis davor, dass die Hisbollah, unterstützt von Irans Geheimdienst, in der ganzen Welt Terrorzellen aufgebaut hat. Richard Armitage, unter Colin Powell Vize-Außenminister der USA, nannte deshalb selbst nach dem 11. September die Hisbollah noch das „A-Team des Terrorismus“. Sie ist im Ausland in letzter Zeit nur deshalb nicht aktiv geworden, weil es den Führungen in Libanon und Teheran nicht geraten schien, den Höllenhund von der Kette zu lassen. Schließlich verfolgte Iran im letzten Jahrzehnt eine moderatere Außenpolitik als in den 80ern.

Damit ist jetzt aber erst einmal Schluss. Irans neuer Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat eine Re-Ideologisierung der iranischen Politik eingeläutet. Gestern hat das Regime zudem bestätigt, Währungsreserven auf europäischen Konten aufzulösen, damit diese im Falle von Sanktionen nicht eingefroren werden. Das Mullah-Regime bereitet sich also auf eine harte Auseinandersetzung vor. Nicht auszuschließen, dass Iran in diesem Konflikt sogar erwägt, Schläferzellen in Europa zu aktivieren. Solch ein Szenario wird Chirac vor Augen gehabt haben. Iran soll wissen, dass es mit einer Terrorkampagne erhebliche Risiken eingehen würde.

Dennoch stellt sich die Frage, ob Chiracs Worte wirklich klug waren. Einen Einwand hat gestern der französische Generalstabschef formuliert: „Man muss beweisen können, dass ein Staat zu Terrorakten in unserem Land angestiftet hat.“ Und das ist äußerst schwierig. Zudem ist Chirac mit seinen Worten eine gefährliche Selbstbindung eingegangen. Wer mit atomaren Angriffen im Falle von Terroranschlägen droht, könnte sich dann genötigt sehen, diese auch wahr zu machen – schon deshalb, weil die eigene Abschreckungsdrohung sonst nicht mehr ernst genommen wird. Ein riskantes Spiel. Hoffentlich hat Teheran die Botschaft verstanden.

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