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Buhmann: Immer wieder gibt es Proteste gegen Ministerpräsident Erdogan. Foto: dpa

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Politik: Mit Tüten voller Bargeld

Die Korruptionsaffäre in der Türkei weitet sich aus: Auch ein unter Terrorismusverdacht stehender Saudi soll in illegale Geschäfte verwickelt sein.

Istanbul - Zwei Wochen nach dem Bekanntwerden des Korruptionsskandals in der Türkei erhält die Affäre womöglich eine neue Dimension. Laut einem Zeitungsbericht geht die Istanbuler Staatsanwaltschaft davon aus, dass auch ein lange von den UN als Al-Qaida-Helfer eingestufter saudischer Geschäftsmann in die Bestechungsfälle verwickelt war. Der Unternehmer, Yasin al Qadi, wurde demnach von der türkischen Regierung bei Aufenthalten in der Türkei beschützt.

Qadi soll laut der unabhängigen Tageszeitung „Taraf“ an einem unter Korruptionsverdacht stehenden Grundstücksgeschäft in Istanbul beteiligt gewesen sein. Bei illegalen Besuchen in der Türkei im vergangenen Jahr soll der Unternehmer von Leibwächtern des Ministerpräsidenten beschützt worden sein – die Zeitung druckte Observationsfotos der Staatsanwaltschaft ab, die dies beweisen könnten. Die Regierung äußerte sich zunächst nicht.

„Taraf“ stützte sich nach eigenen Angaben auf Unterlagen des Istanbuler Staatsanwalts Muammer Akkas, der nach den ersten Festnahmen vom 17. Dezember in der vergangenen Woche weitere Verdächtige in Gewahrsam nehmen wollte. Akkas wurde kurz vor den Zugriffen jedoch von seinen Vorgesetzten von dem Korruptionsfall abgezogen. Er kritisierte später, er sei an der Ausübung seines Amtes gehindert worden. Die zweite Festnahmewelle, die auch Qadi treffen sollte, fand nach der Ablösung von Akkas nicht statt.

Der 58-Jährige stand bis zum Oktober vergangenen Jahres auf einer UN-Liste mutmaßlicher Al-Qaida-Helfer, die mit Sanktionen bestraft werden. In den USA gilt er wegen seiner angeblichen Nähe zum Netzwerk von Osama bin Laden als „Terrorist“. Qadi weist alle Vorwürfe zurück. In Istanbul war dieser laut „Taraf“ an einem Geschäft beteiligt, bei dem das auf einen Wert von einer Milliarde Dollar geschätzte Gelände einer Polizeischule im vornehmen Viertel Etiler für nur 460 Millionen Dollar an eine Immobilienfirma verkauft werden sollte; eine öffentliche Ausschreibung für die Privatisierung des Geländes habe nie stattgefunden, berichtete „Taraf“.

Der Istanbuler Bürgermeister Kadir Topbas, ein Parteifreund Erdogans, dementierte den Bericht über den Verkauf der Polizeischule und erklärte, das Gelände sei nach wie vor im Besitz der Stadt. Die in dem Bericht genannte Immobilienfirma reagierte auf Anfragen nicht.

Qadi verfügt seit Jahren über enge Beziehungen zur Erdogan-Regierung. Der Premier selbst nahm den saudischen Unternehmer im Jahr 2006 öffentlich gegen die Terrorismusvorwürfe in Schutz. Laut „Taraf“ wollen Ermittler der Staatsanwalt festgestellt haben, dass Qadi bei der Abreise nach einem seiner Besuche in der Türkei im vergangenen Jahr mehrere Tüten voller Bargeld bei sich hatte.

Auch die Opposition im türkischen Parlament interessiert sich für den Fall. Der Vizechef der säkularen Partei CHP, Umut Oran, will im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage von Erdogan wissen, ob Qadi an dem umstrittenen Immobilien- Deal in Istanbul beteiligt war. Oran will zudem wissen, ob Erdogans Sohn Bilal als Vermittler bei dem Geschäft auftrat; der Name von Bilal Erdogan war erstmals in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre genannt worden.

Erdogan selbst setzt weiter auf Härte. Der Regierungschef kündigte an, den türkischen Richterrat, der über die Besetzung von Richter- und Staatsanwaltsposten entscheidet, unter stärkere Kontrolle der Regierung stellen zu wollen.

Die türkische Polizei geht unterdessen selbst gegen friedliche Formen des Protests vor. Im westtürkischen Akhisar nahmen die Beamten eine Frau vorübergehend fest, die während einer ErdoganRede in der Stadt auf dem Balkon ihrer nahegelegenen Wohnung einen Schuhkarton geschwenkt hatte – eine Anspielung darauf, dass bei dem wegen Korruption festgenommenen Chef einer staatlichen Bank rund 4,5 Millionen Dollar gefunden worden waren. Thomas Seibert

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