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Politik: Mit Widerstand regieren

Die PDS setzt in Schwerin und Berlin Hartz IV mit um – die rot-roten Koalitionen stehen unter Druck

Von
  • Sabine Beikler
  • Matthias Schlegel

Berlin - Es war der zaghafte Versuch der PDS-Spitze in Mecklenburg-Vorpommern, sich mal aus Regierungsverantwortung zu stehlen: Landeschef Peter Ritter hatte Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) gebeten, PDS-Arbeitsminister Helmut Holter von der Umsetzung des Hartz-IV-Gesetzes zu entbinden. Der Vorstoß scheiterte – Ringstorff ließ die Sozialisten wissen, dass Holter nun mal fachlich zuständig sei.

Der Vorgang ist symptomatisch für die Situation der PDS. Auf der einen Seite betreibt sie Fundamentalopposition gegen die von der Bundesregierung geplanten Sozialreformen, auf der anderen Seite müssen ihre Minister in Schwerin und Berlin sie mit auf den Weg bringen. Holter selbst geht an diese Situation durchaus pragmatisch heran und macht aus der Not eine Tugend: „Ich agiere im Sinne der Betroffenen“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Bundestag habe das Gesetz verabschiedet, aber in die Kompetenz der Länder würden zahlreiche offene Fragen fallen. Dafür gebe es dann ein Landesausführungsgesetz. Dort sieht Holter noch Spielraum. Er verweist darauf, dass er Mitglied der Monitoring-Gruppe bei Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sei. Dort werde er Nachbesserungen einfordern. Die Anrechnung des Partnereinkommens und die Zumutbarkeitsregeln für anzunehmende Jobs seien „Systemfehler“ des Gesetzes – er sei nach wie vor ein „scharfer Kritiker“. Die PDS-Abgeordneten im Schweriner Landtag hat Holter schon von diesem Kurs des oppositionellen Koalierens überzeugt: Am vergangenen Freitag sprach sich die Fraktion mit 8:2 Stimmen dafür aus, selbst ein Landesdurchführungsgesetz in das Parlament einzubringen.

Auch Berlins PDS übt sich seit Wochen im breiten Spagat: Sie lehnt das Gesetzespaket ab, ruft die Genossen zu den Montagsdemonstrationen auf, wird die Umsetzung von Hartz IV aber nicht blockieren. Harald Wolf, PDS-Wirtschaftssenator von Berlin, verteidigt diese Linie im Tagesspiegel: Er dürfe wohl kritische Anmerkungen zur Bundespolitik machen, dennoch müssten Bundesgesetze umgesetzt werden. „Das wäre sonst unverantwortlich gegenüber jenen, die von Hartz betroffen sind.“ Und PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner rät der rot-grünen Bundesregierung gar ab, die Reform zurückzunehmen: „Dann würde die Bundesregierung sich nicht nur handwerkliche Fehler vorwerfen lassen müssen, sondern auch Unentschlossenheit und Unbedachtheit“. Das wäre „ganz, ganz kompliziert“.

Das Kalkül der PDS geht auf. Nur noch vereinzelt halten Basisvertreter ihren Spitzenleuten den Pragmatismus vor – und prangern etwa per Leserbrief im „Neuen Deutschland“ an, dass die PDS-Senatoren und -Minister der „Drecksarbeit für Schröder & Co“ ein humanitäres Mäntelchen umhängen würden. Überwiegend können die Genossen mit der Doppelstrategie wunderbar leben. In den Umfragen ist die Partei, nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 zunächst in der Dauerkrise, wieder im Aufwind. Parteichef Lothar Bisky sagt genüsslich, er lasse sich nicht in die populistische Ecke drängen – zu den nächsten Montagsdemonstrationen will er nicht kommen. Wolf appelliert an die eigenen Genossen, „nicht nur auf der Protestwelle zu schwimmen“.

Sowohl Ringstorff wie auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit halten den „Populismus“-Vorwurf gegen die PDS dennoch aufrecht. Doch einen Koalitionskrach gibt es weder in Schwerin noch in Berlin. Es bleibt bei kleinen Sticheleien. Beide Parteien wissen, was sie aneinander haben: Während die PDS von den Protesten profitiert, steht die SPD für eine zügige und reibungslose Umsetzung von Hartz IV – mit Hilfe der PDS.

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