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Politik: Mit zweierlei Maß

In Guantanamo beginnen bald die Prozesse. Vielen Taliban droht die Todesstrafe – den Briten nicht

Von Friedemann Diederichs,

Washington

Auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo Bay ist der Gerichtssaal bereits eingerichtet. Nur wenige Meter davon entfernt zimmern Handwerker der US-Armee derzeit noch an der Inneneinrichtung eines weiteren Raumes, dessen einziges Möbelstück und Mittelpunkt eine mit Hand- und Fußfesseln versehene Liege bilden wird, durch eine Glasfront von einem kleinen Zuschauerbereich abgetrennt. Gleich neben dieser Todeskammer beginnt die Reihe der Baracken, in denen rund 680 mutmaßliche Al Qaida- und Taliban-Kämpfer aus 43 Ländern weiter ihrem ungewissen Schicksal entgegen harren. Mindestens 30 von ihnen, so berichten Militärangehörige, hätten bereits Selbstmordversuche unternommen, konnten jedoch von Ärzten gerettet werden. Makaber mutet deshalb an, dass hier, auf der Marinebasis in Kuba mit dem einprägsamen Namen „Camp X-Ray“ noch in diesem Jahr die erste Hinrichtung eines Häftlings per Giftspritze vollzogen werden könnte. Denn die ersten sechs Gefangenen sollen sich nach dem Willen von Präsident George W. Bush wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten nun vor einem Militärtribunal verantworten.

Dabei wird die US-Justiz aller Voraussicht nach mit zweierlei Maß messen: Eine von Tony Blair beauftragte Verhandlungsdelegation hat unlängst dem Weißen Haus zumindest die Zusage abgerungen, dass den insgesamt neun Gefangenen britischer Staatsangehörigkeit nicht die Todesstrafe droht. Bei den Verfahren gegen zunächst zwei Briten kann diesen außerdem ein ziviler Verteidiger beratend zur Seite gestellt werden. Ob bei einer Verurteilung die Haft auf Kuba oder in einem Gefängnis in Großbritannien verbüßt werden soll, ist zwischen den Verbündeten noch strittig. Offenbar hat sich die US-Regierung ebenfalls bereit erklärt, bei diesen Tribunalen ausnahmsweise öffentliche Beobachter zuzulassen. Australien erhielt ähnliche Zusagen für das Verfahren gegen David Hicks, der – in Australien geboren und in Afghanistan gefangen genommen – seit 18 Monaten auf seinen Prozess wartet, ohne bisher formell angeklagt worden zu sein.

Zivile Zuschauer oder gar Medienvertreter werden jedoch weder bei den anstehenden Prozessen gegen Staatsbürger anderer Nationalität noch bei möglichen Hinrichtungen anwesend sein. Aufgrund einer Anordnung des Weißen Hauses, vom Präsidenten zwei Monate nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 unterzeichnet, sollen die Militärtribunale prinzipiell unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Eingriffs- und Kontrollmöglichkeit von zivilen Gerichten stattfinden - eine Konstellation, die von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kürzlich scharf kritisiert wurde: Den Angeklagten werde lediglich ein Militärangehöriger als Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, im Prozess selbst gebe es für die Anklage sogar die Möglichkeit, unter zweifelhaften Methoden wie psychologischer Druck, Folter oder durch „Hörensagen“ Dritter gewonnene Aussagen zu verwerten, bemängeln die Menschenrechtler. Und eine Berufung gegen das Urteil sei den Angeklagten nur vor einem dreiköpfigen Gremium von Offizieren möglich, die vom Pentagon - also wiederum der Exekutive - ausgewählt würden.

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