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Diese Kisten bergen die Entscheidung über die Groko: Anlieferung der Stimmzettel am Willy-Brandt-Haus am Samstag.

© John macDougall/AFP

Update

Mitgliedervotum: SPD zählt Stimmen der GroKo-Abstimmung aus

Deutschland und Europa warten mit Spannung auf das Ergebnis des SPD-Mitgliedervotums. Bei einem Nein zur GroKo droht eine schwere politische Krise.

Das SPD-Mitgliedervotum über den Eintritt in eine erneute große Koalition steuert auf die Entscheidung zu. Nach dem Ende der Stimmabgabe beginnt im Berliner Willy-Brandt-Haus an diesem Samstag die Auszählung der Stimmen. „Ich bin zuversichtlich, dass eine Mehrheit unserer Mitglieder Ja zu diesem Koalitionsvertrag sagt“, sagte die bisherige Familienministerin Katarina Barley der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Um kurz vor 17 Uhr traf der Post-Lastwagen mit den Abstimmungsbriefen in der SPD-Zentrale ein. Nach dem Öffnen mit Hilfe von zwei Hochleistungsschlitzmaschinen, die 20.000 Briefe pro Stunde öffnen können, kann die Auszählung durch rund 120 Parteimitglieder beginnen. Das Ergebnis des Entscheids, von dem abhängt, ob Deutschland über fünf Monate nach der Bundestagswahl, eine neue Regierung bekommt, soll am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr verkündet werden. Damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, müssen die Helfer ihre Telefone abgeben, die Glasfront des Willy-Brandt-Hauses war zudem mit Sichtschutzfolie abgeklebt worden.

Das in ganz Europa mit Spannung erwartete Ergebnis soll am Sonntagmorgen in der SPD-Zentrale in Berlin verkündet werden. Stimmberechtigt waren 463.723 SPD-Mitglieder. Von dem Ausgang hängt ab, ob sich Angela Merkel (CDU) am 14. März im Bundestag wieder zur Kanzlerin wählen lassen kann. Ein Nein würde über kurz oder lang wohl zu Neuwahlen führen.

Unklar ist, ob die designierte SPD-Parteichefin Andrea Nahles dann noch beim Parteitag am 22. April in Wiesbaden für den Vorsitz kandidieren wird. Sie hat vehement für die Annahme des Koalitionsvertrags geworben, Juso-Chef Kevin Kühnert warb landesweit für ein Nein - er will eine Rückkehr zu einem klaren Linkskurs.

Nahles geht von einem Ja der Basis aus

Nahles betonte am Samstag zum Auftakt einer zweitägigen Klausur des SPD-Vorstands, es sei wichtig, „dass wir Raum schaffen für Zukunftsdebatten in der SPD - und dass wir heute damit beginnen werden“. Die Partei müsse auf Herz und Nieren prüfen, ob ihre Antworten auch für die Zukunft noch ausreichten. Sie gehe von einem Ja der Basis zur Neuauflage der Großen Koalition aus, über etwas anderes "spekuliere ich auch gar nicht".

Nahles sagte, sie sei gespannt auf das Ergebnis des Mitgliedervotums. „Das soll uns nicht abhalten, die Zeit, bis wir es wissen, noch gut zu nutzen.“ Der Vorstand traf sich am Samstagmittag im Spreespeicher in Berlin zu einer Klausurtagung, um die nächsten Schritte für den geplanten Erneuerungsprozess der Partei zu beraten.

Ergebnis soll Sonntagmorgen verkündet werden

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) forderte seine Partei auf, in einer möglichen neuen großen Koalition offensiver als bislang gegenüber der CDU/CSU aufzutreten. „Das größte Risiko wäre, wenn wir es genauso machten wie beim letzten Mal“, sagte Oppermann der „Welt“. Dann sei zu befürchten, dass nach vier Jahren ein ähnlich schlechtes Wahlergebnis wie 2017 herauskomme. „Die SPD hat in einer neuen großen Koalition nur eine Chance, wenn sie selbstbewusster, frecher und konfliktbereiter auftritt“, sagte Oppermann.

 Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles (SPD) bei einer Sitzung der Bundestagsfraktion Ende Februar.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles (SPD) bei einer Sitzung der Bundestagsfraktion Ende Februar.

© Wolfgang Kumm/dpa

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erwartet nach eigenem Bekunden keine dauerhaften Verwerfungen in der SPD. „Die SPD wird aus dem Mitgliedervotum gestärkt und geschlossen herausgehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Alle haben die Debatte über eine neue große Koalition mit Sachlichkeit und Fairness geführt - das ist nicht zuletzt auch das große Verdienst der Jusos und von Kevin Kühnert“, sagte Maas. Kühnert soll bei einer Zustimmung der Mitglieder stark in den parallel geplanten Erneuerungsprozess eingebunden werden.

Maas erwartet keine dauerhaften Verwerfungen in der SPD

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, rechnet mit einem Ja bei dem Mitgliedervotum, wie er der „Rhein-Neckar-Zeitung“ sagte. Er forderte aber eine Erneuerung der SPD durch die Parteibasis. „Eine inhaltliche Erneuerung kann nur von unten nach oben erfolgen“, sagte Kahrs der „Heilbronner Stimme“. Die Parteispitze solle sich in diesem Prozess weitgehend heraushalten. Der Bundestagsabgeordnete äußerte wenig Begeisterung für eine Neuauflage der großen Koalition. „Viele Sozialdemokraten - mich eingeschlossen - haben keine Lust mehr auf Frau Merkel und eine erneute GroKo. Die Lage ist aber wie sie ist!“, sagte Kahrs.

Ministerpräsident Günther: Ein Nein der SPD wirft die CDU nicht um

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht seine Partei für den Fall einer Ablehnung der großen Koalition durch die SPD-Mitglieder gerüstet. Auf die Frage, wie sich die CDU auf ein eventuelles Nein vorbereitet habe, sagte er dem Tagesspiegel: „Zunächst haben wir natürlich immer gehofft, dass es klappt mit der Zustimmung der SPD-Mitglieder und dass die große Koalition zusammenkommt. Für den Fall, dass es nicht klappt, war und ist der weitere Weg verfassungsrechtlich klar und eindeutig. Dann ist erst einmal ein Kanzler zu wählen, unsere Kandidatin dafür war immer Angela Merkel.“

Das gelte auch für den Fall, dass es zu einer Neuwahl des Bundestags kommt. „Das ist in der CDU immer unumstritten gewesen.“ Die Partei stehe derzeit sehr geschlossen da. „Wir haben uns bestens vorbereitet, in eine neue Koalition mit den Sozialdemokraten zu gehen, aber wir haben auch genügend Selbstbewusstsein für den anderen Fall entwickelt. Unsere Position lautete immer: Eine andere Entscheidung der SPD wirft die CDU nicht um.“

Kauder warnt vor Haushaltsbelastungen durch potentielle Minderheitsregierung

Unionsfraktionschef Volker Kauder fürchtet, dass bei einem möglichen Nein der SPD-Basis zur Großen Koalition im Falle einer unionsgeführten Minderheitsregierung enorme Belastungen auf den Haushalt zukommen würden. „Das würde den Steuerzahler sehr viel kosten“, warnte der CDU-Politiker in der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstag) vor kostspieligen Dauerverhandlungen zwischen der Regierungsseite und Oppositionsfraktionen bei der Suche nach Mehrheiten im Parlament.

Dagegen hofft Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht auf ein Nein der SPD zur großen Koalition und wirbt bei enttäuschten Sozialdemokraten für eine linke Sammlungsbewegung. „Es geht darum, denen ein Angebot zu machen, die früher einmal SPD oder auch Grüne gewählt haben, vielleicht auch noch Mitglieder sind, aber mit dem Kurs ihrer Parteien überhaupt nicht mehr einverstanden sind“, sagte Wagenknecht der „Rheinischen Post“. (Tsp, dpa)

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