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Ein Teilnehmer einer Demonstration der Partei AfD schwenkt eine Fahne - Kundgebung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) am Hamburger Hauptbahnhof. - 19.11.2016

© imago/Lars Berg

Update

Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: AfD und ihre Anhänger werden immer radikaler

Neue Mitte-Studie zu rechtsextremen Einstellungen in Deutschland: Wissenschaftler beobachten eine zunehmende Polarisierung und Gewaltbereitschaft. Und sagen: Die AfD stelle sich selbst in die rechte Ecke.

Von Matthias Meisner

"Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land" - 34,7 Prozent der Deutschen stimmen diesem Satz eher oder voll und ganz zu. Ebenso viele sagen: "Es leben zu viele Ausländer in Deutschland". 15 Prozent fordern einen Zuwanderungsstopp für Muslime. Drei Resultate aus der Studie "Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände", die am Montag von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld vorgestellt wurde.

Insgesamt beobachten die Wissenschaftler eine zunehmende Polarisierung und Gewaltbereitschaft sowie ein anhaltend starkes Demokratiemisstrauen. Der Wissenschaftler Andreas Zick sagte, extreme Meinungen würden zunehmen, allerdings "muss vielleicht nicht das Gros der Bevölkerung zum Wutbürger mutieren".

Die Anhängerschaft der AfD sei seit der vergangenen Studie nicht nur gewachsen, sondern habe sich - parallel zur Ausrichtung der Partei - auch radikalisiert. Beispielsweise sind 68,4 Prozent der AfD-Anhänger fremdenfeindlich, bei den im Bundestag vertretenen Parteien liegt der Anteil zwischen sechs Prozent (Grüne) und 15,8 Prozent (CDU/CSU).

Zick sagte, es handele sich nicht um eine AfD-Studie. Dennoch lasse sich aus der Erhebung schließen, dass diese Partei besonders viel Zustimmung in der Mittelschicht und unter Jüngeren finde. Die Wissenschaftlerin Beate Küpper sagte: "Die große Mehrheit der AfD-Anhänger tendiert ganz eindeutig zu menschenfeindlichen Einstellungen", auch "hart rechtsextremistische Einstellungen" seien unter den Wählern und Sympathisanten der AfD "weit verbreitet". Zick stellte die These auf, dass sich die AfD selbst in diese rechte Ecke stelle.

Die Studie thematisiert auch die Abwertung von Asylsuchenden. Knapp drei Viertel lehnen Großzügigkeit bei der Bearbeitung von Asylanträgen ab. Im Vergleich zu 2014 (44 Prozent) zeigt inzwischen jeder zweite Befragte Ablehnung gegenüber Asylsuchenden: 52,9 Prozent wollen eine Obergrenze für Flüchtlinge. Allerdings betonen auch 55,5 Prozent, sie fänden es gut, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Und 86,1 Prozent stimmen der Aussage zu: "Menschen, die vor Kriegen flüchten, sollten in Deutschland aufgenommen werden."

Mehr als 12 Prozent wollen "Führer, der mit starker Hand regiert"

Eine radikale Minderheit der Deutschen insgesamt hat auch Sympathien mit einer rechtsgerichteten Diktatur. Zwar stimmen nur 4,4 Prozent dem Satz "Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform" zu. Doch schon 12,2 Prozent sagen: "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert". Und 23,3 Prozent erklären: "Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert."

Die letzte Frage war auch für den "Sachsen-Monitor" gestellt worden, der an diesem Dienstag in Dresden vorgestellt wurde. Bei der Erhebung im Auftrag der Staatsregierung gaben im Freistaat 60 Prozent der Befragten an, sie wünschten sich eine "starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert", wie am Wochenende vorab bekannt wurde.

Zum Teil deutliche Ost-West-Unterschiede

Bei der Zustimmung zu den einzelnen Facetten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gibt es zum Teil deutliche Ost-West-Unterschiede. So ist Fremdenfeindlichkeit mit 28,8 Prozent im Osten deutlich verbreiteter als im Westen (16,8 Prozent). Auch bei der Muslimfeindlichkeit - 23,9 zu 16,8 Prozent - und der Abwertung asylsuchender Menschen - 60 zu 46,9 Prozent - liegt der Osten vorn.

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Im Geleitwort der Studie bilanzieren die Wissenschaftler Küpper und Zick, in keinem anderen Land hätten so viele Asylunterkünfte gebrannt wie in Deutschland, auch das Internet sei voller Hass. Sie kritisieren die "unkritische, unreflektierte Übernahme und Weitergabe von Bedrohungsrhetorik" durch Verwendung von Begrifflichkeiten wie "Flüchtlingskrise", "Flüchtlingschaos" oder sogar "Flüchtlingstsunami" (CSU-Chef Horst Seehofer). Auf diese Weise werde rechtspopulistischen Akteuren ein Forum gegeben. Die Strategie der Neuen Rechten werde befördert. Ihr gehe es darum, vormals als eindeutig undemokratisch und rechtsextrem geltende Positionen als legitime Möglichkeit im Meinungsspektrum anzusiedeln. "So werden Meinungen gemacht und geformt - auch rechtspopulistische und rechtsextreme".

Die Neue Rechte transportiert den Studienautoren zufolge über Begriffe wie "Identität" und "Widerstand" eine national-völkische Ideologie. Sie löse damit zunehmend den offenen Rechtsextremismus ab und definiere sich über Verschwörungsmythen wie eine vermeintliche Unterwanderung durch den Islam, die Behauptung eines Meinungsdiktats sowie eine Beschimpfung des "Establishments" als illegitim, verlogen und betrügerisch. Zudem werde eine Abkehr von der EU gefordert und zum Widerstand gegen die aktuelle Politik aufgerufen.

Es handelt sich um die sechste Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die im Zweijahresrhythmus erscheint. Von 2006 bestand eine Kooperation mit der Universität Leipzig, neuer Partner seit 2014 ist das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Zwischen den Leipziger Wissenschaftlern um Elmar Brähler und Oliver Decker und der Ebert-Stiftung war es zu einem Zerwürfnis gekommen. Die Leipziger Mitte-Studie war in der Folge erstmals im Juni gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung vorgestellt worden.

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