zum Hauptinhalt

Mögliche Hintermänner des Terrors: Die Saboteure von Islamabad

Die USA und Indien befürchten, dass Pakistans Geheimdienst und Militär mitschuldig sind am Terror. Denn Mitarbeiter des pakistanischen Dienstes ISI sollen Terroristen trainiert haben.

Der „Scherzanruf“ war alles andere als ein Spaß – und brachte die Atommächte Indien und Pakistan für kurze Zeit näher an einen Krieg. Noch während des Bombay-Anschlags soll sich ein Anrufer fälschlicherweise als Indiens Außenminister Pranab Mukherjee ausgegeben haben und ließ sich mit Pakistans Präsidenten Asif Ali Zardari verbinden. Der Anrufer habe Zardari mit militärischen Mitteln gedroht, sollte er nicht Maßnahmen gegen die Anschläge ergreifen. Pakistans Luftwaffe wurde in Alarmbereitschaft versetzt. Der Anrufer muss über Insider-Informationen wie die Nummern von gesicherten Telefonleitungen verfügt haben.

Der bizarre Vorfall, der am Wochenende bekannt wurde und erheblichen Wirbel auslöste, gibt einen neuen Beleg für das schwierige Verhältnis der beiden Nachbarländer. Indien und die USA vermuten die muslimische Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba hinter der dreitägigen Terrorschlacht in Bombay – und möglicherweise auch Al Qaida. Die Regierung in Neu-Delhi verlangt laut „Washington Post“, dass Pakistan den früheren ISI-Chef Hameed Gul ausliefert. Pakistans Medien berichteten, dass die USA Beweise haben wollen, dass er weiter Kontakte mit Al Qaida und den Taliban pflege. Dass es zu der Auslieferung kommt, ist sehr fraglich: Es ist schwer vorstellbar, dass Pakistan einen Ex-Chefspion an den Erzfeind ausliefert. Gul nannte die Forderung „lachhaft“. Daneben verlangt Neu-Delhi, dass Islamabad Führer und Kommandeur von Lashkar-e-Toiba, Yusuf Muzammil sowie Zaki ur-Rehman, übergibt.

Weder Neu-Delhi noch Washington behaupten, dass die US-nahe Regierung, Militärchef Ashfaq Parvez Kayani oder der gegenwärtige Chef des Geheimdienstes ISI, Ahmed Shuja Pasha, in den Anschlag verwickelt sind. Was Washington aber alarmiert, ist, dass ISI-Mitarbeiter die Terroristen trainiert haben sollen. Die „64-Millionen-Dollar-Frage“ sei, „welches Ausmaß“ die gegenwärtigen Kontakte der Lashkar-e-Toiba zum ISI hätten, sagte der Terrorexperte Bruce Riedel, der den künftigen US-Präsidenten Barack Obama während der Wahlkampagne in der Südasienpolitik beraten hat. Dahinter steht die Angst, dass mächtige Kräfte in ISI und Militär den Kampf gegen die Extremisten sabotieren wollen. Die neue Militärspitze hatte gemeinsam mit den USA den Kampf gegen die Extremisten in den vergangenen Monaten massiv verschärft.

Riedel sieht den „globalen Dschihad“, also möglicherweise auch Al Qaida, hinter der Attacke in Bombay. „Sie wollen den Konflikt zwischen Indien und Pakistan, wie sie es 2001 wollten.“ Damals hatte eine Attacke auf das indische Parlament, an der ebenfalls Lashkar-e-Toiba beteiligt war, die beiden Atommächte schon einmal an den Rand eines Kriegs gebracht. Als Folge verlegte Pakistan seine Soldaten von der Grenze zu Afghanistan an die zu Indien. Geht das Spiel auf, hätten Al Qaida, Taliban & Co. in den pakistanischen Grenzgebieten freie Hand, was auch den Kampf gegen die Taliban in Afghanistan schwächen würde. „Jeder wünscht sich einen Krieg zwischen Indien und Pakistan“, zitiert der Online-Dienst „Asia Times“ einen ungenannten Extremisten von Lashkar-e- Toiba.

Fest steht: Die dreitägige Terrorattacke hat Indien traumatisiert. Viele Menschen rufen nach militärischenVergeltungsschlägen gegen Pakistan. US-Außenministerin Condoleezza Rice war vergangene Woche in Neu-Delhi und Islamabad, um den Konflikt zu entschärfen. Indiens Regierung bemüht sich, das Kriegsgeschrei und die Terrorhysterie zu dämpfen. Sie gab eigene Fehler bei der Terrorabwehr zu. Explosiv erscheint die Lage in Pakistan. Dort scheint ein Machtkampf um den Kurs zu toben. Fast täglich gibt es Anschläge und Terrorattacken. Bei einem Anschlag in Peshawar kamen am Wochenende fast 30 Menschen ums Leben.

Eine Woche nach dem Ende des Terrordramas von Bombay waren in Indien zwei mutmaßliche kriminelle Helfer der Terroristen festgenommen worden. Die beiden Verdächtigen sollen den Attentätern gegen Bezahlung SIM-Karten für Handys besorgt haben, die sie sich mithilfe gefälschter Unterlagen beschafft hatten. Ein Polizeisprecher sagte am Samstag, einer der Männer sei am Vortag in der ostindischen Stadt Kalkutta festgenommen worden, der andere in der Hauptstadt Neu-Delhi. Es sehe so aus, als hätten die beiden nicht direkt mit den Anschlägen zu tun gehabt. mit dpa

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false