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Thomas Kemmerich (l), Spitzenkandidat der FDP in Thüringen mit Parteichef Christian Lindner.

© imago images/photothek

Mögliche Minderheitsregierung in Thüringen: Die FDP ziert sich – und muss weiter zittern

Fünf Stimmen retten die FDP über die Hürde – und offenbaren sogar eine Option auf Macht in Thüringen. Aber die Parteispitze tut sich schwer.

Die beiden wirken ernüchtert, als sie am Montagvormittag die Bundespressekonferenz betreten. Müde sehen FDP-Chef Christian Lindner und der Thüringer Landesvorsitzende Thomas Kemmerich aus. „Es war eine kurze Nacht“, sagt Kemmerich. „Trotzdem sehen Sie mich entspannt und sehr zufrieden.“

Diesen Eindruck machen die beiden Freidemokraten jedoch nicht in diesem Moment.

„Sehr zufrieden“ – so präsentierten sich die zwei eher am Vorabend. Nicht einmal eine Stunde nach Schließung der Wahllokale hatte Lindner unter kräftigem Applaus in der FDP-Zentrale den Wahlsieg verkündet. Obwohl der Einzug der Liberalen in den Thüringer Landtag da noch gar nicht feststand, ließ sich Lindner bereits kurz vor 19 Uhr von seinen Anhängern beklatschen.

Die FDP habe ihr Ergebnis im Vergleich zu den 2,5 Prozent aus dem Jahr 2014 „deutlich ausgebaut“, sagte er. Damit habe die Partei etwas geschafft, das ihr „seit zehn Jahren nicht mehr gelungen ist, nämlich erfolgreich zu sein bei einer ostdeutschen Landtagswahl“. Doch der Erfolg war denkbar knapp.

Erst um 23:50 Uhr war klar: Die Liberalen erreichen 5,0005 Prozent, nur fünf Stimmen über der Hürde. „Auch für die Bundespartei ein tolles Ergebnis“, redet Lindner die Sache am Montag schön.

Endergebnis am 7. November

Er versucht nun, das haarscharf abgewendete Debakel als Erfolg zu verkaufen: „In der Sache fühlen wir uns in unserem Kurs bestätigt.“ Es sei richtig gewesen, auf liberale Kernthemen wie Bildung oder Rechtstaat zu setzen. Lindner kann aufatmen. Nach den kürzlichen Wahlniederlagen in Sachsen und Brandenburg muss er jetzt nicht auch noch die dritte Pleite in Folge erklären.

„Jede Stimme zählt“, sagt Lindner stattdessen. „Nie war dieser Satz weiser als heute.“ Bei einem so knappen Ausgang von 5,0005 Prozent stellt sich auch die Frage, wie verlässlich das vorläufige Ergebnis ist.

Ob es die Liberalen wirklich in den Landtag schaffen, werde erst am 7. November feststehen, sagt Thüringens Landeswahlleiter Günter Krombholz. Eine komplette Neuauszählung aller FDP-Stimmen werde es nicht geben. „Aber es wird jede Auffälligkeit genau geprüft.“ Nach dem 7. November kann der Landtag dann zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Anschließend gibt es noch die Möglichkeit, vor dem Wahlprüfungsausschuss des Parlaments das Endergebnis anzufechten.

Nach aktuellem Stand zieht die FDP mit fünf Mandaten ein. Ein Ziel aus dem Wahlkampf haben die Liberalen damit erreicht. Das zweite sei gewesen, „die rot-rot-grüne Mehrheit zu brechen“, sagt Kemmerich. Aus seinem Traum, das Wirtschaftsministerium zu übernehmen, wird aber wohl nichts. Noch am Wahlabend unterstrich Kemmerich die Möglichkeit einer Minderheitsregierung – in Einzelfällen unterstützt von den Liberalen.

Also Rot-Rot-Grün unter der Duldung der FDP? Darauf angesprochen, winden sich Lindner und Kemmerich vor der Bundespresskonferenz. „Wir werden nicht mit ihm zusammenarbeiten“, sagt Kemmerich schließlich mit Blick auf den bisherigen Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. „Auch eine Tolerierung oder eine andere Unterstützung sehe ich nicht.“

Sollte Ramelow ein vernünftiges Konzept gegen die Bildungsmisere im Land vorgelegen, würden die Liberalen das mittragen. Pauschale Unterstützung werde es jedoch nicht geben.

Keine Koalition mit Linken oder AfD

„Konstruktive Opposition“ – das sei die künftige Rolle der FDP im Freistaat, sagt Lindner. Auch im Bundestag laute so das Selbstverständnis der Liberalen: „Dort, wo wir benötigt werden, wie bei der Grundgesetzänderung, laufen wir auch nicht weg.“ In Thüringen müsse man „ganz einfach das machen, was man vor der Wahl gesagt hat“. Das heißt: keine Koalition mit Linken oder AfD.

Es ist auch ein Seitenhieb gegen Mike Mohring, den Chef der Thüringer CDU, der entgegen ursprünglicher Versprechen nun doch Gespräche mit der Linken führen will. Kemmerich fände es „sehr bedenklich“, wenn Union und Linke sich annäherten.

Mit Mohring persönlich habe er darüber noch nicht sprechen können. Das wolle er aber nachholen, sagt Kemmerich. „Jetzt müssen sich alle erstmal sortieren.“

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