zum Hauptinhalt

Politik: Möllemanns Herbsttournee: Der Kanzlerkandidat in spe drängelt

In einer Minute soll es los gehen. Gemessenen Schrittes tritt Jürgen Möllemann an das Stehpult und befestigt das Schild.

In einer Minute soll es los gehen. Gemessenen Schrittes tritt Jürgen Möllemann an das Stehpult und befestigt das Schild. Eine große 18 prangt da auf gelbem Grund, darüber steht kleiner "Werkstatt". Eigentlich ist das ein Job für den Pressesprecher der FDP, aber der muss ja der ganzen Partei dienen. Nicht nur den singulären Interessen und Projekten von einzelnen Mitgliedern.

Die "Werkstatt 18" ist so ein Einzelprojekt von Jürgen Möllemann, hauptberuflich Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen und deren Fraktionschef im Landtag, nebenberuflich Fallschirmspringer und Albtraum des FDP-Vorstandschefs Wolfgang Gerhardt. In der Werkstatt 18 will Möllemann bis zur nächsten Bundestagswahl 2002 das Team zusammenbringen, das für die FDP 18 Prozent Wählerstimmen holt. Außerhalb der Partei werde das Ziel mittlerweile anerkannt. "Aber im Innern der FDP herrschen die Zweifel", sagt Möllemann, der am Montag zum wiederholten Male seine Vision zur Zukunft der FDP vorgestellt hat.

Eigentlich schien nach dem FDP-Parteitag im Juni alles verabredet. Generalsekretär Guido Westerwelle hatte sich mit Möllemann und gemäßigteren FDP-Oberen geeinigt, eine Projektgruppe 18 zu bilden. Bislang haben sich die Mitglieder jedoch noch nicht getroffen. Am 12. September wollen sie das erste Mal zusammenkommen. Möllemann geht das zu langsam. Mit den Abgeordneten aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen prescht er nun vor und startet eine "liberale Herbstreise". Auf der Tournee durch die deutschen Lande wird Möllemann den Kreisverbänden seine zweite Lieblingsidee nahe bringen: FDP-Kanzlerkandidat. Denn wenn die FDP schon 18 Prozent Stimmenanteil anstrebt und sich vor der Wahl auf keinen Koalitionspartner festlegt, dann kann sich die kleine Partei auch einen eigenen Kanzlerkandidaten leisten. In Frage kommen dafür er selbst, Rainer Brüderle, Guido Westerwelle, Parteichef Wolfgang Gerhardt oder der baden-württembergische Landesvorsitzende Walter Döring.

Wer das Amt bekommt, soll das Volk in einer Meinungsumfrage entscheiden. Das kommt Möllemanns Idee von der FDP als Volkspartei nahe. Über den Kanzlerkandidaten soll die Partei und das Wahlvolk aber erst im Sommer nächsten Jahres entscheiden, wenn die anderen Jobs in der Partei schon vergeben sind. "Es geht nicht, dass einer alles macht", sagt Möllemann. Wer also schon auf dem Parteitag im Mai nächsten Jahres zum neuen Vorstandschef gewählt wurde, kann dann nicht mehr den K-Posten bekommen. Und folgerichtig soll auch der in den nächsten Wochen neu gewählte Fraktionsvorsitzende nicht noch mal Parteichef werden. Bislang füllte beide Posten Gerhardt aus. Möllemann jedenfalls will nicht Vorsitzender werden. Aber Kanzlerkandidat.

"Das muss man sich sorgfältig überlegen", gibt Rainer Brüderle, Mitglied im Parteivorstand, zu Bedenken. Schließlich gebe es eigentlich laut Verfassung keinen Kanzlerkandidaten. Er spricht auch nicht von 18 Prozent, sondern von einem "zweistelligen Ergebnis" - das aber nachhaltig. "Bisher ist das für die FDP noch ungewohnt, aber die FDP hat auch ungewohnt große Chancen", sagt Brüderle, der die ganze Geschichte mit dem Projekt 18 in Ruhe angehen will. "Wir können uns noch Zeit lassen."

Ulrike Fokken

Zur Startseite