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Francois Hollande will nicht mehr antreten und findet dafür große Worte.

© AFP

Mon Berlin: Adieu, Monsieur – Madame macht weiter

Ein französischer Präsident tritt ab mit den Worten "Vive la France", eine deutsche Kanzlerin erklärt, dass sie weiter macht und wünscht "einen schönen Abend". Das sagt fast alles. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Pascale Hugues

Zwei Szenen in zwei Wochen. Die eine spielt in Paris, die andere in Berlin. Zwei Szenen, fast identisch, aber doch diametral verschieden.

Die erste: Paris, Donnerstagabend. Eine Fernsehübertragung aus dem edlen Elysée-Palast. Zwei Flaggen vor azurblauem Hintergrund, die Trikolore und die Sterne Europas. François Hollande ist ganz in Schwarz erschienen, wie für eine Beerdigung. Er wirkt verdrossen, spricht mit klitzekleiner, feiner Stimme. Steif steht er vor der Kamera, liest vom Teleprompter ab. Neun Minuten und sechsundfünfzig Sekunden der Selbstrechtfertigung. Er zählt die Liste seiner Erfolge herunter, sagt, dass er alle Risiken eingegangen sei.

Ein bisschen wirkt er wie ein Vertreter, der seinen Fuß in den Türspalt schiebt, damit ihm beim Versuch, seinen Ramsch loszuwerden, nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Ganz Frankreich hängt Hollande an den Lippen und wartet nur auf eine Ankündigung: Tritt er noch einmal an oder nicht? Er verkündet: Nein. Und endet auf: „Vive la République! Et vive la France!“

Zweite Szene: Berlin, Mitte November. Angela Merkel verkündet, sie trete im Herbst 2017 noch einmal an. Sie spricht, wie sie immer spricht, à la Merkel, ohne jegliches Pathos. Sie sagt, dass ihr diese Entscheidung nicht leicht gefallen sei. Sie wolle aber Deutschland weiterhin dienen, heute, in diesen ungewissen und schwierigen Zeiten, mehr denn je. Sie erhoffe sich Kraft und Gesundheit für den Weg. Die Ansprache ist simpel, direkt. Angela Merkel lächelt nicht. Sie spricht langsam. Sie trägt einen blutroten Blazer, die Farbe ihres Koalitionspartners. Und dann, wie als müsse sie sich selbst Mut zusprechen, sagt sie: Ich bin in guter Verfassung, gut vorbereitet und habe viele Ideen. Und schließt mit: „Einen schönen Abend noch.“

Viele Staatschefs waren irgendwann im Ausland beliebter als zuhause

Der eine verkündet seinen Rückzug aus Paris. Die andere ihr Kurshalten in Berlin. Es ist das erste Mal – und das soll etwas heißen –, dass ein französischer Präsident von sich aus auf eine zweite Amtszeit verzichtet. Armer François Hollande: erst öffentlich entblößt, und nun geht er. Die Franzosen sind erleichtert.

Angela Merkel ist bereits elf Jahre an der Macht. Vielleicht wird sie bald den Amtsrekord ihres Mentors brechen. Helmut Kohl, der 16 Jahre im Kanzleramt verbrachte und Merkel gern als sein „Mädchen“ bezeichnete. Auf dem internationalen Parkett ist Merkel heute Dienstälteste. Sie verkörpert Kontinuität in wechselhaften Zeiten. Was hätte Europa nur getan, hätte sie sich nicht zur Wahl gestellt?

Die Deutschen sind etwas zurückhaltender. Die Beliebtheit von „Mutti“ schwindet. Wird Merkel irgendwann einer jener Staatschefs sein, die im Ausland beliebter sind als zu Hause? Wie Michail Gorbatschow etwa. „Wäre ich Deutscher, ich würde sie wählen“, sagte Barack Obama, ihr größter Fan. Er sagt das, was viele Europäer fühlen: Zum Glück ist sie da. Hoffentlich bleibt sie da. Vor allem jetzt, wo Deutschland gezwungen sein wird, eine größere Rolle in der Weltpolitik zu übernehmen.

Nach dem Schock des Wahlsiegs von Donald Trump schrieb die „New York Times“, alle Hoffnung liege nun auf „der letzten Verteidigerin liberaler Werte im Westen“. In Europa sitzt sie fest auf einem Thron, während um sie herum Rechtspopulisten die Regierungschefs auf Schleudersitze gesetzt haben. Die Deutschen beobachten mit Furcht die Prognosen zum Front National und zum Referendum in Italien, das Matteo Renzi sein Amt kosten könnte.

Die Erwartungen an Angela Merkel sind enorm. Es ist ihr zu viel. Und das gibt sie auch zu. Sie sagt, dass sie keine Wunder bewirken könne, aber dass sie „ihr Bestes“ gebe. Die Erwartungen an sie seien „grotesk“ und „absurd“. Sie sei nicht die Grundfeste einer wackelnden Welt. Kleine Schritte.

2017 wird ein schweres Jahr: Im Frühjahr wählen die Franzosen. Im Herbst die Deutschen. Viele Baustellen, viele Ungewissheiten. Beunruhigung von allen Seiten.

Aus dem Französischen übersetzt von Fabian Federl.

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