zum Hauptinhalt
Polens Premier Mateusz Morawiecki

© AFP/Johanna Geron

Morawiecki contra von der Leyen: Polens Premier stellt sich dem EU-Parlament

Polens Premier Morawiecki sucht die Konfrontation mit dem EU-Parlament. Er muss sich auf einen harten Schlagabtausch über Polens Justizreform einstellen.

Einfach wegducken kommt für Mateusz Morawiecki nicht in Frage. Der polnische Premier wird in Straßburg mit den EU-Parlamentariern an diesem Dienstag über die Rechtsstaatlichkeit in seinem Land diskutieren.

Der Regierungschef muss sich auf einen harten Schlagabtausch einstellen, denn die Abgeordneten haben in diesen Tagen den Druck auf Polen noch einmal erhöht. Der Justizausschuss des Parlaments sprach sich mit großer Mehrheit dafür aus, dass die EU-Kommission eine schärfere Gangart gegen das Land einlegen solle.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts. Dieses hatte am 7. Oktober entschieden, Teile des EU-Rechts seien nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar. Dieser Richterspruch stellt einen Eckpfeiler der europäischen Rechtsgemeinschaft in Frage und sorgte deshalb für scharfen Widerspruch aus Brüssel.

Polens nationalkonservative PiS-Regierung baut seit Jahren das Justizwesen im Land um. Die EU-Kommission hat wegen der Reformen bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau eröffnet und Klagen beim EuGH eingereicht.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die meisten Abgeordneten im Europaparlament kritisieren, dass sich Polen eine Art Freifahrtschein in Sachen Rechtsstaatlichkeit ausgestellt habe und sich nach Belieben von den gemeinsam vereinbarten europäischen Regeln verabschieden könne. „Durch das Urteil steht Polen mit beiden Beinen außerhalb der europäischen Rechtsordnung. Es ist nicht zu rechtfertigen, in einer solchen Lage europäisches Geld an die polnische Regierung auszuzahlen“, erklärt dazu die deutsche Europaabgeordnete Katarina Barley (SPD). „Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss endlich das entsprechende Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einleiten und den Rechtsstaatsmechanismus anwenden.“

Kritik auch von der konservativen EVP

Ähnliche Forderungen kommen auch aus der Fraktion der konservativen EVP. Dieser Mechanismus ist seit Anfang des Jahres in Kraft und erlaubt es, Geld aus den EU-Fonds zu kürzen oder die Auszahlung zu verzögern, sollte im Empfängerland der Rechtsstaat nicht funktionieren.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint das Aktuellste und Wichtigste aus Berlin. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

Angesichts des vehementen Drängens des EU-Parlaments, gegen Polen schärfer vorzugehen, hat sich überraschend Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Wort gemeldet. Sie hat die EU-Kommission dazu aufgerufen, trotz des steigenden öffentlichen Drucks vorerst auf die Nutzung des neuen Rechtsstaatsmechanismus zu verzichten.

Sie finde, dass man die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu der Klage von Ungarn und Polen gegen den Mechanismus abwarten könne, sagte die CDU-Politikerin. „Wir haben große Probleme, aber ich rate dazu, sie im Gespräch zu lösen, Kompromisse zu finden“, ergänzte Merkel.

Im Gegensatz zu Angela Merkel wollen die meisten EU-Parlamentarier das Urteil des Luxemburger Gerichts nicht abwarten, mit dem erst in einigen Monaten zu rechnen ist. Sie fürchten, ein Druckmittel vorschnell aus der Hand zu geben. Der Grund: Warschau wartet sehnlichst auf die Auszahlung der Corona-Hilfen, die von der EU allerdings zurückgehalten werden. Dabei geht es um sehr viel Geld. Polen würde 28 Milliarden Euro als Zuschuss und noch einmal 34 Milliarden Euro als Darlehen erhalten.

Polen sei auch weiter „ein loyales Mitglied der Europäischen Union“, beteuerte Premier Morawiecki am Montag in einem offenen Brief an die EU-Kommission, den Rat und das Parlament. Er warnte aber auch vor der Gefahr, dass die Union bald nicht mehr ein Bund freier Staaten sein könnte, sondern ein Gebilde, an deren Spitze Institutionen stehen, die sich „jeglicher demokratischen Kontrolle“ entziehen.

Knut Krohn

Zur Startseite