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Bischof Luigi Padovese setzte sich für mehr Rechte für Christen in der Türkei ein.

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Update

Mord an Bischof: "Wie Vater und Sohn waren sie"

Der Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz ist von seinem eigenen Leibwächter ermordet worden. Die Tat gibt Rätsel auf. Der mutmaßliche Täter erklärt, er habe in einem Anfall von religiösem Wahn gehandelt.

Vor der katholischen Kirche im südtürkischen Iskenderun weht die vatikanische Flagge auf Halbmast. Ein indischer Priester ist aus dem nahen Adana gekommen, um eine Messe für den Hausherrn zu lesen. "Lasst uns für den Bischof beten, der nun nicht mehr unter uns ist", sagt Pater Fransua Dondu zur Gemeinde; eine Gläubige wird ohnmächtig und muss hinausgetragen werden. Bischof Luigi Padovese, der Apostolische Vikar von Anatolien und Vorsitzende der türkischen Bischofskonferenz, liegt da bereits bei der Gerichtsmedizin von Iskenderun - ermordet von seinem eigenen Leibwächter.

In einem Anfall von religiösem Wahn habe er dem Bischof die Kehle durchgeschnitten, sagt der Tatverdächtige. Die Aussage weckt öffentliches Misstrauen, sind in der Türkei doch schon öfter Christen von nationalistischen Eiferern angegriffen worden, die sich später auf geistige Umnachtung herausreden wollten - so wie der Jugendliche, der vor vier Jahren den katholischen Priester Andrea Santoro in Trabzon ermordete. Im Fall von Padovese sprechen die Schilderungen von Familie und Freunden des Bischofs allerdings tatsächlich eher für eine menschliche Tragödie.

"Wie Vater und Sohn waren sie", beschreibt ein christlicher Bekannter in Iskenderun das Verhältnis zwischen Padovese und dem 26-jährigen Murat A., der seit viereinhalb Jahren als Fahrer und Leibwächter für den Bischof arbeitete. Ähnliche Worte findet die Mutter: "Bischof Padovese liebte Murat wie einen Sohn", sagt Sultan A. Die Familie steht seit Jahrzehnten im Dienste der Kirche. Der Vater wurde nach 20-jährigen Diensten vor einigen Jahren pensioniert, und auch die Geschwister arbeiten für die Gemeinde. "Der Bischof war so gut zu uns", sagt die Mutter.

Seit Padovese im Jahr 2004 nach Iskenderun versetzt wurde, hatte sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Familien entwickelt. Wenn die Verwandten des Bischofs aus Mailand zu Besuch kamen, wohnten sie in Iskenderun bei der Familie A., wie Padoveses Bruder Sandro im türkischen Fernsehen erzählte. Umgekehrt wurde Murat A. stets als Familienfreund bei ihnen untergebracht, wenn er Padovese mit dem Auto nach Italien fuhr - zuletzt in diesem Frühjahr, als die Vulkanasche über Europa den Bischof am Fliegen hinderte.

Dass der junge Mann psychologische Probleme hatte, war dem Bischof bekannt. Padovese habe sogar die Kosten für seine Behandlung übernommen, erzählt sein Bruder. Im vergangenen Monat verschlechterte sich Murat A.s Zustand rapide, wie seine Mutter berichtet. Zuletzt wurde er drei Tage lang stationär auf der psychiatrischen Station des staatlichen Krankenhauses behandelt und erst am vergangenen Sonntag entlassen. Wenn Padovese auf Reisen war, erkundigte er sich nach Angaben seiner Familie stets, ob Murat auch seine Medikamente genommen habe.

Bedroht gefühlt habe sich der Bischof aber weder von ihm noch von sonst jemandem, sagen Sandro Padovese und seine Frau Liliana. Deshalb habe er von sich aus auf den polizeilichen Personenschutz verzichtet, den ihm die türkischen Behörden zugeteilt hatten. Doch an diesem Donnerstag zückte Murat A. im Vorgarten der bischöflichen Wohnung plötzlich ein Küchenmesser und stach auf seinen väterlichen Freund und Gönner ein, bis der sich nicht mehr regte. Beim Haftrichter faselte er vom Teufel und betete laut.

Unklar blieb dennoch, welchem Glauben der Tatverdächtige angehört. Während türkische Medien zunächst berichteten, dass die Familie A. von jeher katholisch sei, meldete die Tageszeitung "Sabah" unter Berufung auf Quellen im Vatikan, er sei während seiner Zeit bei Padovese vom Islam zum Katholizismus konvertiert. A.s Rechtsanwalt wies beide Versionen zurück und erklärte kategorisch, sein Mandant sei Moslem, was allerdings nichts zu Sache tue: Murat A. sei nachweislich geistesgestört.

Ob es ein Zufall sei, dass A. gerade eine Woche zuvor psychiatrisch behandelt wurde, oder ob der junge Mann sich damit einen strafrechtlichen Freifahrtschein zur Ermordung des Bischofs besorgt habe, fragte sich nicht nur die Tageszeitung "Zaman" am Freitag. Der Leibwächter könnte ja von dritter Seite aufgewiegelt oder mit dem Mord beauftragt worden sein. Offen blieb dabei dennoch die Frage, warum A. sich zur Ermordung seines Arbeitgebers und Familienfreundes benutzen lassen sollte. Bei den Vermittlungen werde kein Verdacht ausgeklammert, versprachen die Behörden.

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