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Mord: Bürgerrechtlerin Estemirowa: "Kontrollschuss" in die Schläfe

Neue Erkenntnisse im Fall der ermordeten Bürgerrechtlerin Natalja Estemirowa.

Knapp zwei Tage nach dem Mord an Natalja Estemirowa sind bei der Bürgerrechtsbewegung „Memorial“, für die die Tschetschenin gearbeitet hatte, unmissverständliche Warnungen eingegangen. Ein Mann, der sich bei einem Telefonat mit Oleg Orlow, dem Chef der Organisation, als Tschetscheniens Präsident Ramzan Kadyrow ausgab, verbat sich in harschen Worten weitere Schuldzuweisungen. Er, Kadyrow, habe den Mord nicht in Auftrag gegeben, und „Memorial“ wäre gut beraten, nicht in die Rolle von Staatsanwälten und Ermittlern zu schlüpfen. So jedenfalls berichtete es Orlow selbst am Freitag im Sender „Echo Moskwy“. Weder Kadyrows Büro noch die tschetschenische Regierung wollten sich dem Sender gegenüber äußern.

Orlow und andere Mitarbeiter von „Memorial“ hatten Kadyrow für den Mord verantwortlich gemacht und dies damit begründet, dass er die Regimekritikerin mehrfach bedroht und öffentlich angegriffen hatte. Bei seiner letzten Unterredung mit Estemirowa Anfang Juli habe Kadyrow die 50-Jährige zudem mit Worten beleidigt, die so unflätig waren, dass man sie öffentlich nicht wiedergeben könne. Das ist im Nordkaukasus höchst ungewöhnlich, weil ein ungeschriebener Ehrenkodex zu Achtung gegenüber Älteren und vor allem Frauen verpflichtet. Die Regierung, so der Tenor russischer Medien, könne unmöglich ignorieren, dass Kadyrow so gegen den Brauch verstoßen habe. Selbst dann, wenn sich seine Unschuld im Fall Estemirowa herausstellen sollte.

Nach Presseberichten gelang es der Staatsanwaltschaft inzwischen, den Ablauf des Verbrechens zu rekonstruieren. Demzufolge hatten die Entführer zunächst nicht vor, ihr Opfer umzubringen. Diesen Entschluss hätten sie erst gefasst, als sie Polizeiwagen sahen, die die Fernverkehrsstraße „Kawkas“ gesperrt hatten. Die Fahndung galt zwar Flüchtigen, die kurz zuvor den Wagen von Gerichtsvollziehern beschossen hatten. Estemirowas Entführer glaubten jedoch, sie würden gesucht, bogen in ein Waldstück ab und brachten die Frau mit zwei Schüssen in die Brust und einem „Kontrollschuss“ in die Schläfe um. 

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