zum Hauptinhalt

Politik: Mord im Königreich

Trotz seiner schwierigen Lage in einer Unruheregion galt Jordanien als einigermaßen sicher – bis zu den Anschlägen vom Mittwoch

Bisher war die Gratwanderung des jordanischen Königs Abdullah II. gut gegangen: Das rohstoff- und wasserarme Land fährt eine offensive pro-amerikanische Politik und erhält dafür Hilfsgelder aus dem Westen. Der Unmut in der Bevölkerung, die mit den benachbarten Palästinensern und Irakern sympathisiert, wird unter Kontrolle gehalten – nicht zuletzt durch den effizienten Sicherheitsapparat in dem kleinen Königreich mit seinen fünf Millionen Einwohnern. Die Islamische Aktionsfront, ein Ableger der Muslimbrüder, wird zudem seit den Tagen von König Hussein eingebunden und ist im Parlament vertreten. Die Aktionsfront lehnt Gewalt ab. Und doch hat diese Gewalt am Mittwochabend Jordanien erreicht – von außen.

Die Selbstmordattentäter betraten kurz vor 21 Uhr in Amman die Hotels Grand Hyatt, Radisson SAS und Days Inn und zündeten die mitgeführten Bomben. Im Radisson explodierte der Sprengsatz in einem Saal mit 300 Hochzeitsgästen. Schon seit Jahren fürchtete sich das Land vor allem vor Anschlägen, die von dem aus Jordanien stammenden Top-Terroristen Abu Mussab al Sarkawi organisiert werden. Seine Gruppe hat sich nun im Internet zu den Anschlägen auf die drei Hotels bekannt, bei denen mindestens 56 Menschen starben. Unter den 115 Verletzten sind auch vier Deutsche und ein Schweizer.

Anschlagsversuche hat es in der Vergangenheit gegeben, aber bisher war es den Geheim- und Sicherheitsdiensten meist gelungen, sie im Vorfeld zu vereiteln. So konnten die zum Jahreswechsel 1999/2000 geplanten Attacken auf Touristenorte im Lande verhindert werden. Auch in der angespannten Lage vor dem amerikanisch-britischen Feldzug im Irak blieben Anschläge aus, obwohl die Regierung der US-Armee ihr Territorium für den Einmarsch von Westen her zur Verfügung stellte.

Als der Irak im Chaos versank und der Jordanier al Sarkawi sich dort als neuer Terror-Chef etablieren konnte, geriet Jordanien jedoch ins Visier der international agierenden Al-Qaida-Zellen. Sie bekannten sich zu dem geplanten Giftgasangriff auf das Hauptquartier des Geheimdienstes am Stadtrand von Amman im Frühjahr 2004, der in letzter Minute verhindert werden konnte. Dabei wurde deutlich, dass Jordanien eine neue Bedrohung erwachsen war. Daran erinnert wurde die Nation im August durch die Raketenangriffe auf ein US-Kriegsschiff in Akaba und Israel, zu denen sich eine Gruppe aus dem Umfeld al Sarkawis bekannte.

Trotz seiner schwierigen geografischen Lage zwischen den Palästinensergebieten und Israel auf der einen und dem Irak auf der anderen Seite war es dem Königshaus gelungen, Jordanien als Hort der Stabilität zu etablieren. Die relative Ruhe in Jordanien ist umso bemerkenswerter, als die pro-amerikanische Haltung des Regimes vor dem Irakkrieg massiv kritisiert wurde. Niemand glaubte den Beteuerungen des Regimes, dass keine US-Soldaten von jordanischem Territorium aus den Krieg vorbereiten. Schätzungsweise 6000 bis 7000 Soldaten sollen sich während des Krieges auf jordanischen Stützpunkten in der Wüste aufgehalten haben. Der Führer der einheimischen Islamisten, Scheich Mansur, erklärte es damals als „nationale und religiöse Pflicht“, einer US-Besetzung des Irak zu widerstehen. Konkret rief die Aktionsfront allerdings lediglich dazu auf, keine Autos an Amerikaner zu vermieten und kein Essen an die Stützpunkte zu liefern. Einen Aufruf zu Gewalt gab es nicht. Folgerichtig hat die Front die jüngsten Anschläge sofort verurteilt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false