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Politik: Moskauer Oberbürgermeister-Wahlen gelten als Testlauf

Eigentlich kann für Jurij Luschkow nichts schiefgehen. Wenn die Moskauer am 19.

Eigentlich kann für Jurij Luschkow nichts schiefgehen. Wenn die Moskauer am 19. Dezember an die Urnen treten, um parallel zu den Dumawahlen auch über den Oberbürgermeister der Hauptstadt abzustimmen, dann wird Amtsinhaber Luschkow voraussichtlich seine Mitbewerber mit lockerem Vorsprung aus dem Feld schlagen. Rund 64 Prozent der Moskowiter, so die jüngsten Umfragen, werden für ihren "Mer" stimmen. Trotzdem herrscht Nervosität in Luschkows Lager. Vorsichtshalber ist der listige Oberbürgermeister auf Nummer sicher gegangen: Pünktlich zum Auftakt des Wahlkampfs eröffnete eine Ausstellung über die erfolgreichen städtischen Bauprojekte, und am Wahltag selbst folgt die offizielle Einweihung der gigantischen Erlöserkathedrale, jenes von Stalin 1931 gesprengten Sakralbaus, den Luschkow für eine halbe Milliarde Mark wiederaufbauen ließ. So wird den Moskauern noch einmal in Erinnerung gerufen, wem sie den neuen Glanz in der Hauptstadt zu verdanken haben.

Der Grund für diese Aktionen: Die Wahlen zum Moskauer Stadtoberhaupt gelten als eine Art "Primaries" für Luschkow - eine Vorwahl nach amerikanischem Beispiel, die Aussagekraft für Luschkows Perspektiven bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Juli haben wird. Denn Luschkow, der mit Ex-Premier Jewgenij Primakow bei den Dumawahlen das Bündnis "Vaterland - Ganz Russland" führt, gilt als aussichtsreichster Kandidat der Opposition für die Jelzin-Nachfolge.

Entsprechend groß ist das Interesse anderer politischer Kräfte, dem mächtigen "Mer" bei den Oberbürgermeister-Wahlen möglichst viele Stimmen abzujagen, um sein Image zu beschädigen. Erstmals seit seinem Amtsantritt 1992 sieht sich der Bürgermeister ernsthaften Konkurrenten gegenüber. Für die zentristische "Union rechter Kräfte" geht der Ex-Premier und "junge Reformer" Sergej Kirijenko (35) an den Start. Er zielt vor allem auf jüngere Wähler, hat ein überzeugendes Konzept zur Sanierung der städtischen Finanzen vorgelegt und wird nicht müde, Luschkows "Nomenklatur-Kapitalismus" anzuprangern. Denn Luschkow hat zwar ein positives Image als gestandener "Chosjaistwennik" (Wirtschafter), der Moskau von einem tristen Moloch zu einer florierenden Metropole umgestaltete. Doch seine Kritiker werfen dem 63-Jährigen vor, einen idealen Nährboden für Vetternwirtschaft und Korruption bereitet zu haben.

Nicht nur Kirijenko kandidiert gegen Luschkow. Auch die Macht-Clique um Präsident Boris Jelzin schickt einen eigenen Kandidaten ins Bürgermeister-Rennen: Pawel Borodin, Verwalter der Kreml-Immobilien. Ein konkretes Konzept hat Borodin, gegen den die Schweizer Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche ermittelt, den Wählern bislang nicht vorgelegt. Seine Aufstellung gilt vielmehr als ein weiterer hastiger und verspäteter Versuch der auf Machterhalt erpichten Jelzin-Clique, Jurij Luschkow bei seinem Weg zur Präsidentschaftskandidatur mit möglichst vielen Störmanövern auszubremsen. Denn der Kreml setzt alles daran, seinen Premier Wladimir Putin zum Anwärter auf den Präsidenten-Stuhl aufzubauen. Der dynamische und populäre Luschkow könnte dabei der gefährlichste Gegner sein.

Doris Heimann

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