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Politik: Moskauer Presse befürchtet „totale Zensur“

Neue Gesetze zur Terror-Berichterstattung in Kraft / Am Abend durchsucht Geheimdienst Wochenzeitung

Moskau. Die russischen Abgeordneten haben am Freitag die Pressegesetze des Landes deutlich verschärft. Mit der Vorlage treten erhebliche Beschränkungen für die Medien bei der Berichterstattung zu Anti-Terror-Operationen in Kraft. Russische Menschenrechtler fürchten nun, dass dadurch die Berichterstattung über den Krieg in Tschetschenien nahezu unmöglich wird.

Nach dem neuen Gesetz dürfen Medien künftig keine Informationen mehr weitergeben, die aus staatlicher Sicht „Leben und Gesundheit von Menschen gefährden.“ Verboten sind auch Meldungen „mit Äußerungen von Personen, die Anti-Terror-Operationen stören“, sowie „Propaganda oder Rechtfertigung von Widerstand gegen deren Durchführung.“ Außerdem darf nicht mehr über Technologien zur Herstellung von Waffen, Munition und Sprengstoff berichtet werden.

Änderungen des Artikel 15 des russischen Terrorismus-Gesetzes untersagen „die Verbreitung von Informationen, die Aufschluss über Techniken und Taktiken bei Anti-Terror-Operationen geben“. Der neue Paragraf vier des Pressegesetzes verbietet die „Weitergabe von Staats- und anderen durch das Gesetz geschützten Geheimnisse“. Noch vorhandene Gesetzeslücken, fürchtet die Kommunistin Tatjana Astrachankina, würden bald geschlossen. Der Ausschuss-Vorsitzende für Informationspolitik, Pawel Kowaljow aber sagte, der Staat könne sich jetzt „besser gegen Kriegspropaganda und terroristische Bedrohungen schützen“.

Die Gesetzesänderung wurde mit 231 zu 106 Stimmen angenommen. Beide Vorlagen, hieß es, sind in der Duma unmittelbar vor Beginn des Geiseldramas in zweiter Lesung behandelt worden. Die weiteren Entwicklungen hätten gezeigt, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Der Direktor des Zentrums für Journalismus in Extremen Situationen, Oleg Panfilow, erklärte, eine freie Debatte über den Krieg in Tschetschenien werde in Zukunft nicht mehr möglich sein. „Alles, was wir heute hier diskutieren, kann jetzt unter die Rubrik Behinderung einer Anti-Terror-Operation fallen“, sagte er. Igor Jakowenko vom russischen Journalistenverband, sprach von „totaler Zensur“.

Den Worten der Regierung folgten am Abend Taten: Acht Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB drangen in die Redaktion der Wochenzeitung „Versija“ (Version) ein und beschlagnahmten die Festplatten mit der Ausgabe, die heute erscheinen sollte. Das Kamerateam, das der private TV-Sender TWS sogleich zum Tatort schickte, berichtete, das Blatt habe den Hergang des Geiseldramas nach einer Unmenge von Zeugenbefragungen minutiös recherchiert. Das Ergebnis weiche in entscheidenden Punkten erheblich von der offiziellen Version ab.

Vor wenigen Tagen hatte die Duma die von mehreren Fraktionen geforderte unabhängige Parlamentarische Kommission zur Untersuchung des Geiseldramas abgelehnt, da man „die Arbeit der Profis nicht behindern dürfe“. In Deutschland prüft Generalbundesanwalt Kay Nehm ein Ermittlungsverfahren in Bezug auf die Geiselnahme. Unter den Opfern waren zwei Deutsche. Der tschetschenische Kriegsherr Schamil Bassajew, der sich zu der Geiselnahme bekannt hat, sprach den von Moskau nicht anerkannten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow unterdessen von den Vorwürfen der Beteiligung frei.

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