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Politik: Moskaus Opposition wirft EU Ignoranz vor Reformpolitiker Jawlinskij

kritisiert Haltung zu Tschetschenien

Berlin. Der russische Oppositionspolitiker Grigorij Jawlinskij hat die Haltung des Westens zum Tschetschenien-Krieg scharf kritisiert. „Die westlichen Regierungen haben ihre Politik im Falle Tschetscheniens nicht an Werten ausgerichtet“, sagte der Chef der liberalen Jabloko-Partei im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Stattdessen verfolge der Westen nur seine eigenen politischen Interessen. „Jelzin, der diesen Krieg begonnen hat und dort Schreckliches angerichtet hat, war der beste Freund Deutschlands.“ Jawlinskij sieht derzeit wenig Chancen, dass die Europäer bei der Lösung des Konflikts helfen können. „Sie verstehen ja nicht einmal, worum es geht.“ Das Thema Tschetschenien werde in bilateralen Gesprächen mit Moskau praktisch nicht erwähnt. Der Reformpolitiker forderte „Offenheit und Ehrlichkeit“ von den westlichen Regierungen. „Sie sollten sagen: Wir sind eure Freunde, aber wir können nicht akzeptieren, was ihr im Nordkaukasus tut.“

Vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum in Tschetschenien, das Moskau am 23. März abhalten lassen will, befänden sich die Europäer in einer Sackgasse. Nun könnten sie das Referendum weder ablehnen noch billigen. Der Kreml will mit der Abstimmung beweisen, dass eine politische Lösung des Konflikts bereits begonnen hat. Jawlinskij sieht darin jedoch lediglich den Versuch, einen politischen Prozess vorzutäuschen. Sowohl der Europarat als auch die OSZE sehen kaum Chancen auf eine faire Abstimmung in Tschetschenien. Europarats-Vertreter fordern daher eine Verschiebung des Referendums. Jawlinskij ist einer der wenigen Politiker in Russland, die offen den Tschetschenien-Krieg kritisieren und Friedensverhandlungen fordern.

Auf dem Weg zu Demokratie und Zivilgesellschaft ist Russland nach den Worten Jawlinskijs in den letzten Jahren nicht vorangekommen – im Gegenteil: „In der Putin-Ära wurde das System Jelzin zementiert.“ Dabei handele es sich um einen „halbkriminellen Polizeistaat“. Auch die Haltung des Westens im Demokratisierungsprozess sieht der Reformer kritisch: „Die westliche politische Elite scheint zu dem Schluss gekommen zu sein, dass die Russen Demokratie und Marktwirtschaft nicht verstehen“, sagte er. „Das einzige, was die westlichen Regierungschefs brauchen, ist ein Freund im Kreml, jemanden mit starker Hand.“ Das habe die Beziehungen zu Gorbatschow, zu Jelzin und zu Putin geprägt. Es sei jedoch die falsche Strategie. Jawlinskij, der unter Gorbatschow ein Programm zur Wirtschaftsreform erarbeitet hat, ist zweimal bei den Präsidentschaftswahlen angetreten. Im März 2004 wird in Russland ein neuer Präsident gewählt.

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