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Muammar al Gaddafi: Lösung Exil

Die USA suchen einen Ausweg aus dem Militäreinsatz in Libyen. Wohin mit Gaddafi? Seit Mitte Februar ermittelt der Internationale Strafgerichtshof gegen ihn.

Es wäre eine elegante Lösung: Die „New York Times“ schreibt, dass die USA und ihre Verbündeten nach einem Exil für den libyschen Machthaber Muammar al Gaddafi suchen. Seit Ende März gab es Berichte, Gaddafis Getreue stellten Kontakte her, um für die ganze Familie einen sicheren Hafen zu finden. Der britische Außenminister William Hague wollte Gaddafi gar schon im Flugzeug auf dem Weg nach Venezuela wissen, was sich dann nicht bestätigte. Stattdessen erklärte Gaddafi, seine Familie wolle „bis zur letzten Kugel“ kämpfen. So oder so dürfte es für Gaddafi schwierig werden, ein sicheres Aufnahmeland zu finden. Denn seit Mitte Februar ermittelt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) gegen ihn, weshalb Staaten, die das Römische Statut zur Bildung des Weltgerichts ratifiziert haben, eigentlich ausfallen. Sie müssten Gaddafi im Falle eines Haftbefehls ausliefern. Im Folgenden eine Übersicht.

SAUDI-ARABIEN

Saudi-Arabien wäre eigentlich eine gute Wahl. Dort hat vor wenigen Wochen erst der gestürzte Autokrat Tunesiens, Zine al Abidine Ben Ali, Asyl gefunden. Vor ihm fand dort der schrille ugandische Diktator Idi Amin nach seiner ersten Exilstation Libyen seinen Altersruhesitz und lebte in Saudi-Arabien unbehelligt bis zu seinem Tod 2003. Das Königshaus in Saudi-Arabien hat also durchaus ein Herz für gefallene Diktatoren. Doch im Falle Gaddafi dürfte diese Kalkulation nicht aufgehen. Gaddafi soll hinter einem gescheiterten Attentat auf König Abdullah stecken, zudem hat er Saudi-Arabien auf Gipfeln der Arabischen Liga als Büttel der USA beschimpft.

SIMBABWE

Auch Simbabwe hat eine Tradition, Diktatoren aufzunehmen. Der Präsident Robert Mugabe schert sich nicht um internationale Kritik. Seit 1991 lebt mit einer kurzen Unterbrechung in Nordkorea der frühere Diktator Äthiopiens, Mengistu Haile Mariam, in Harare. In Äthiopien wurde er 2008 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Gaddafi hat enge Geschäftsbeziehungen mit Simbabwe. Was gegen die Annahme spricht, dass Simbabwe ein „sicherer Hafen“ sein könnte, ist Mugabes Alter – er ist 87 Jahre alt.

ÄQUATORIAL-GUINEA

Sollte Gaddafi abtreten, wäre Theodoro Obiang Nguema, der derzeitige Präsident der Afrikanischen Union, der dienstälteste Präsident des Kontinents. Seit 32 Jahren unterdrückt er die Bevölkerung des kleinen westafrikanischen Ölstaates. Obiang Nguema hätte keine Skrupel, Gaddafi aufzunehmen, sein Land hat sich dem Internationalen Strafgerichtshof ebenfalls nicht verpflichtet. Was dagegen spricht, dass Gaddafi dort seine Öl-Milliarden in Ruhe verprassen könnte, ist die Unberechenbarkeit des Präsidenten. Darin ist er Gaddafi nicht unähnlich. Er soll die Genitalien seiner Feinde essen, ist eine der Geschichten, die über Theodoro Obiang Nguema kursieren.

UGANDA/SUDAN

Uganda gehört zwar zu den Zeichnerstaaten des IStGH. Dennoch hat der Vize-Außenminister angedeutet, dass Gaddafi womöglich Asyl erhalten würde, wenn er denn darum bitten würde. Wie in den meisten afrikanischen Staaten hat Gaddafi auch in Uganda große Investitionen getätigt. Die Moschee in Kampala hat er nicht nur bezahlt, sie trägt auch seinen Namen. Doch seit sich Gaddafi als „König der Könige“ ansprechen lässt, ist das Verhältnis zu Ugandas Langzeitpräsidenten, dem autokratischen Yoweri Museveni, getrübt. Gaddafi pflegt enge Kontakte zum Buganda-König Muwenda Mutebi II. Dieser steht dem größten ugandischen Stamm vor, und Museveni hat sich schon immer an dessen Macht gestört. Darüber hinaus werden Niger, Mali oder der Tschad als afrikanische Exilorte genannt. Sie haben aber alle das Statut des IStGH ratifiziert. Der einzige Staat, der noch infrage kommen könnte, wäre der Sudan. Dessen Präsident Omar al Bashir wird selbst mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, weil ihm Kriegsverbrechen in der westsudanesischen Provinz Darfur vorgeworfen werden. Außerdem schuldet das Land Libyen eine Milliarde Dollar. Und Khartum sieht gar nicht so anders aus als Tripolis.

VENEZUELA/NICARAGUA

Venezuelas Präsident Hugo Chavez bezeichnet Gaddafi bis heute als seinen Freund. Allerdings hat sein Land das Statut des IStGH ratifiziert. Im Gegensatz zu Nicaragua. Dort hat sich Präsident Daniel Ortega gerade erneut als Kandidat nominieren lassen, obwohl die Verfassung nur eine Amtszeit zulässt. Und Ortega, der die sandinistische Revolution 1979 anführte, ist ein alter Feind der USA. Ob das reicht, um Gaddafi Exil anzubieten?

FRANKREICH

Zwar hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy die Bombardierung Libyens zu seinem Projekt gemacht. Doch Frankreich hat sich schon oft geschmeidig gezeigt. So fand der bizarre Kaiser der Zentralafrikanischen Republik, Jean-Bédel Bokassa, zwischen 1979 und 1986 ein Exil in Frankreich. Auch der frühere Diktator Madagaskars, Diedier Ratsiraka, lebt in Paris. Und dann ist da noch Jean-Claude Duvalier, genannt Baby Doc, der Haiti grausam regierte und gnadenlos ausplünderte. Bis zu seiner Rückkehr 2010 lebte Baby Doc ungestört zwischen Paris und der Côte-Azur. Vor zwei Jahren erst wollte Sarkozy seinem neuen Verbündeten Gaddafi noch ein Atomkraftwerk verkaufen. Da wird sich doch ein Plätzchen finden, wenn es dem Frieden dient.

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